Gefährliche Tierseuche

Afrikanische Schweinepest: Wie sich Deutschland auf den Ernstfall vorbereitet

Afrikanische Schweinepest: Wie sich Deutschland auf den Ernstfall vorbereitet

Afrikanische Schweinepest: Wie sich Deutschland vorbereitet

Maximilian Matthies/shz.de
Warschau/Berlin
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Notfallübungen für das Auftreten der Afrikanischen Schweinepest (ASP) in Polen Foto: dpa/Marcin Bielecki

Die Afrikanische Schweinepest breitet sich in Osteuropa aus und kommt immer näher. Diese Maßnahmen ergreift Deutschland.

Jüngste Meldungen aus Polen geben Anlass zur Sorge: Nur 42 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt ist am Dienstag in der Nähe von Nowogrod Bobrzanski bei einem verendeten Wildschwein die Afrikanische Schweinepest (ASP) nachgewiesen worden. Ein Einzelfall? Oder ist die Tierseuche weiter auf dem Vormarsch und springt bald auf Deutschland über?

„Es ist nicht mehr die Frage, ob die ASP Deutschland erreicht, sondern wann“, sagt Torsten Reinwald, Sprecher des Deutschen Jagdverbandes (DJV), gegenüber der „Bild“-Zeitung. Der DJV hatte nach dem Fund des infizierten Wildschweins nahe der deutschen Grenze bereits dazu ausgerufen, verdächtige Kadaver umgehend zu melden.

Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest

Der Fundort bei Nowogrod Bobrzanski liegt im westlichen Teil der Woiwodschaft Lebus. In dieser Gegend nahe der Grenze zu Brandenburg gibt es seit Mitte November einen Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest. Begonnen hatte er in der Nähe der Ortschaften Nowa Sol und Slawa – rund 80 Kilometer von der Grenze zu Deutschland entfernt. Mittlerweile wurde der Erreger bei mehreren Dutzend verendeten Wildschweinen in der Region festgestellt. Am schlimmsten grassiert die Seuche derzeit in Asien und Osteuropa. In Deutschland ist, anders als etwa in Polen und Belgien, noch kein ASP-Fall bekannt.

Die Karte des Friedrich-Loeffler-Instituts zeigt die Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest in Europa unter Wildschweinen (blau) und Hausschweinen (rot). (Stand: 3. Dezember 2019) Foto: Freidrich-Loeffler-Institut
Polen vermeldet europaweit die höchste Zahl an infizierten Wildschweinen, Rumänien kämpft bei seinen Hausschweinen mit dem Virus. Auch in Belgien ist die Afrikanische Schweinepest bereits ausgebrochen, 481 Fälle wurden allein in diesem Jahr gezählt. Das zeigen die aktuellen Ausbruchszahlen mit Stand vom 3. Dezember 2019, die das Friedrich-Loeffler-Institut regelmäßig aktualisiert.
 

Mögliche Übertragungswege

Schon ein einziges infiziertes Wildschwein könnte die Seuche nach Deutschland einschleppen. Das Virus ist auf die Übertragung durch Blut optimiert. Blut von infizierten Tieren gilt daher als hoch infektiös. Bei Wildschweinen besteht auch das Risiko, dass sie sich an Kadavern von verendeten infizierten Artgenossen anstecken. Beobachtungen hatten gezeigt, dass die Tiere sich für die Kadaver interessierten, wenn diese bereits verwest und skelettiert waren. Das Virus ist wärme- und kälterestistent und kann sich in Kadavern und im Knochenmark über Monate, vielleicht sogar über Jahre halten.

Das Virus überlebt im Schlamm von Radkästen bis zu 100 Tage, ebenso in geräucherter Ware. Wer verseuchte Ware importiert oder achtlos wegwirft, verbreitet damit den Erreger.

Torsten Reinwald, Sprecher des Deutschen Jagdverbandes

 

Eine Infektion von Schwein zu Schwein ist aber nicht der einzige Übertragungsweg. Auch der Mensch ist eine Gefahr. „Das Virus überlebt im Schlamm von Radkästen bis zu 100 Tage, ebenso in geräucherter Ware. Wer verseuchte Ware importiert oder achtlos wegwirft, verbreitet damit den Erreger“, warnt Reinwald. Die unsachgemäße Entsorgung von Wurstwaren infizierter Wild- oder Hausschweine, die von anderen Schweinen gefressen wurden, wird etwa in Polen als Verursacher für den Ausbruch angenommen, sagt Franz Conraths, Leiter des Instituts für Epidemiologie des Friedrich-Loeffler-Instituts in Greifswald, in einem Interview mit dem „Mitteldeutschen Rundfunk“. Menschen können das Virus auch durch Schmutz in Schuh- oder Autoreifenprofilen verschleppen.

Dänischer Wildschweinzaun

Zum Schutz vor der Afrikanischen Schweinepest baute Dänemark bereits einen 70-Kilometer-Zaun entlang der Grenze zu Deutschland, der in dieser Woche fertiggestellt wurde. In Mecklenburg-Vorpommern wurden 50 Kilometer Elektrozaun angeschafft. Angesichts der Übertragungswege durch Menschen sollte die Sinnhaftigkeit des dänischen Wildschweinzauns allerdings in Frage gestellt werden.

Während eine Infektion bei Wild- und Hausschweinen meist tödlich endet, ist der Erreger für Menschen ungefährlich. Bei Hunden verhält es sich ähnlich. Sie können das Virus zwar weiter übertragen, wenn sie „kontaminiert“ sind. Nach einiger Zeit aber verflüchtigt es sich wieder.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Länder wie China einen Importstopp verhängen, ist sehr groß. Das haben sie zum Beispiel in Belgien schon gemacht.

Sarah Dehm, Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Fleischwaren-Industrie

Angst der Landwirte

Ein Ausbruch hätte massive wirtschaftliche Folgen für Schweinehalter: Ab dem ersten Nachweis bei einem Wild- oder Hausschwein in Deutschland ist der Export in Länder außerhalb der EU nicht mehr möglich.

„Die Wahrscheinlichkeit, dass Länder wie China einen Importstopp verhängen, ist sehr groß. Das haben sie zum Beispiel in Belgien schon gemacht", sagt Sarah Dehm, Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Fleischwaren-Industrie, gegenüber der „Bild“-Zeitung. Für Deutschland als Exportweltmeister könnte das verheerende Folgen haben: Befürchtet wird ein wirtschaftlicher Schaden in Milliardenhöhe.

Wird auf einem Betrieb das Virus nachgewiesen, muss der gesamte Bestand getötet werden. So war es auch beim jüngsten Ausbruch der Klassischen Schweinepest 2006 in Nordrhein-Westfalen. Damals mussten 92.000 Schweine gekeult werden.

So sollten sich Betriebe schützen

Nach einem Ausbruch müssen auch die gesamten Betriebsanlagen gereinigt und desinfiziert werden. Um eine weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern, wird die Umgebung für eine bestimmte Zeit abgesperrt.

Damit es gar nicht erst dazu kommt, sollten Schweinehalter den direkten oder indirekten Kontakt zwischen Haus- und Wildschweinen vermeiden. Als besonders gefährdet gelten Freilandhaltungen, aber auch konventionelle Betriebe sollten geeignete Schutzmaßnahmen ergreifen, dazu gehörten etwa eine wildschweinsichere Umzäunung des Betriebsgeländes und eine unzugängliche Lagerung von Futtermitteln und Einstreu.

Spezielle Suchhunde sollen Kadaver aufspüren

Im Saarland werden aktuell sechs Hunde zu geprüften Wildschweinkadaver-Suchhunden ausgebildet. Wenn dort die Afrikanische Schweinepest ausbrechen sollte, sollen die Hunde tote Schwarzkittel im Wald aufspüren helfen.

„Das schnelle Entfernen des Kadavers wird dann total wichtig sein, weil er ein unglaublicher Infektionsherd ist“, sagt René Wiese bei einer Übung mit den Hunden in Wadgassen-Friedrichweiler. Amtstierärztin Elisabeth Groß von der obersten Jagdbehörde sagt: „Das wird der Knackpunkt bei der Bekämpfung der ASP sein.“ Im Umkreis des toten Tieres müsse die Gegend umfassend desinfiziert werden. „Es ist ein hochvirales Virus, das sehr beständig ist.“

Die Behörden der Bundesländer bereiten sich seit Längerem mit verschiedenen Maßnahmen auf einen möglichen ASP-Ausbruch vor. Eine spezielle Ausbildung für Kadaver-Suchhunde gebe es bisher nur im Saarland, sagt der Leiter des Referates Waldwirtschaft und Jagd im saarländischen Umweltministerium, Hubertus Lehnhausen. Er hatte die Idee für das Projekt. „Weil man die Schweine nicht mit Menschenketten suchen kann, wenn die Schweinepest ausbricht.“

Eine Tierseuchenübung gab es in dieser Woche auch in Sachsen. Im Thümmlitzwald (Landkreis Leipzig) kamen mehrere Hunde zum Einsatz – nach Angaben des Landkreises handelte es sich um Schweißhunde, die verletztes oder totes Wild aufspüren können. Bei der Tierseuchenübung soll auch die Tötung eines Hausschweinebestandes simuliert sowie im Aufbau von speziellen Elektrozäunen geschult werden.

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