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Mediziner glaubt nicht an große Lockerungen vor Ostern

Mediziner glaubt nicht an große Lockerungen vor Ostern

Mediziner glaubt nicht an große Lockerungen vor Ostern

dpa/shz
Kiel
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Verwaiste Innenstädte wie hier in Itzehoe wird es in Deutschland wohl bis zum April geben. Foto: Michael Ruff/shz

Der Kieler Infektionsmediziner Helmut Fickenscher sieht den Impfstart positiv, warnt aber vor dem Trugschluss schneller Besserungen.

Der Corona-Impfstart gestern in ganz Deutschland wird nach Einschätzung des Kieler Infektionsmediziners Prof. Helmut Fickenscher die Epidemie vorerst nicht beeinflussen. „Wir haben einfach viel zu viele Leute zu impfen und noch längere Zeit nicht genügend Impfstoff zu Verfügung“, sagte Fickenscher, Direktor des Instituts für Infektionsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) und Präsident der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten.

Allerdings: Es sei extrem sinnvoll, alte Menschen in Heimen mit hoher Priorität zu impfen und zugleich das Pflegepersonal mit, sagte Fickenscher. „Denn der Eintrag in die Altersheime kommt ja gewöhnlich von außen.“ 

Ob das Eindämmen des Coronavirus im Jahr 2021 gelingen wird, hängt laut Fickenscher von mehreren Faktoren ab. Ein Faktor sei das Impfen. Unklar sei, wann Impfstoffe im ausreichenden Maßstab vorhanden sein werden. Schleswig-Holstein will über die Impfzentren rund 300 000 Impfungen pro Monat schaffen. Spätestens nach sechs Monaten sollen die Hausarztpraxen die Aufgabe übernehmen.

Mutation bisher kein großes Risiko für Impfstoffe

Dass die unter anderem in England aufgetretene Mutation des Coronavirus die Wirksamkeit der Impfstoffe stark beeinträchtigen könnte, dieses Risiko sieht Fickenscher eher nicht. „Bisher gibt es dazu keine konkreten Erkenntnisse. Man kann aber aus vielen unterschiedlichen Überlegungen daraus schließen, dass diese leichten Veränderungen die Antigen-Eigenschaften des Impfstoffs hier nicht verändern und der Schutz dadurch unverändert erhalten bleibt“.

Eine glückliche Corona-Entwicklung 2021 hängt laut Fickenscher davon ab, ob die weitgehende Durchimpfung der Bevölkerung – seien es nun 60 oder 80 Prozent – in dieser Größenordnung gelingt. „Der kritische Punkt ist, dass diese Durchimpfung vor dem kommenden Winter abgeschlossen ist, bis in den Bereich Oktober. Dann hätten wir gute Chancen, dass die Pandemie uns im kommenden Winter 2021/22 im Großen und Ganzen in Ruhe lässt. Das wäre das ganz wesentliche Ziel. Ob es realistisch ist, bleibt derzeit noch offen. Das kann man noch nicht richtig beurteilen.“ 

Vor Ostern rechnet Fickenscher, der auch die Landesregierung berät, nicht mit deutlichen Lockerungen der Corona-Auflagen. „Vielleicht können einige Branchen vorher schon wieder öffnen.“ Aber eine relevante Lockerung im Alltag erwarte er erst, wenn es deutlich wärmer wird. Im Sommer erwarte er - wie in diesem Jahr – eine eher entspannte Situation. Es bleibe aber die Unwägbarkeit, dass sich Virusvarianten verbreiten, „die uns vielleicht das Leben noch schwerer machen. Derzeit gibt es aber diesbezüglich keine echten Fakten.“

Beim Tourismus rechnet Fickenscher auch im neuen Jahr eher mit Einschränkungen. Denn im vergangenen Sommer habe es den Haupteintrag an Corona zunächst über den Tourismus gegeben. Vielleicht müssten die Regeln mit Risikogebieten effizienter angewandt werden. „Ich fürchte, dass es dem Tourismus im Jahr 2021 weiterhin schlecht gehen wird. “

Dass manche Länder einen Impfpass von Touristen verlangen könnten, sieht Fickenscher wissenschaftlich kritisch. 

„Derzeit wissen wir noch zu wenig, inwiefern die Impfung tatsächlich zuverlässig das Weiterverbreiten des Virus verhindert.“

Dennoch: Eine Alternative zum Impfen sieht Fickenscher derzeit nicht. Es sei „das Beste, was wir derzeit machen können.“

 

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