Diese Woche in Kopenhagen

„Ratlose Opposition“

Ratlose Opposition

Ratlose Opposition

Kopenhagen
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Mette Frederiksen setzt mit fester Hand ihre Politik durch und sonnt sich in guten Umfragewerten. Oppositionsführer Ellemann-Jensen dagegen muss zum Jagen getragen werden, meint Walter Turnowsky, Korrespondent in Kopenhagen.

34,6 Prozent für die Sozialdemokraten. So lautete am vergangenen Montag eine Umfrage, die Voxmeter für Ritzau erhoben hat.

Das sind Traumwerte für Mette Frederiksen und ihre Mannschaft. Im Vergleich zu den Folketingswahlen am 5. Juni vergangenen Jahres wäre das ein Gewinn von fast neun Prozentpunkten. Es ist über 20 Jahre her, dass die alte Arbeiterpartei zuletzt über 30 Prozent bei einer Wahl erreicht hat.

Linker Mangel an Ideen

Nun ist es bei Weitem nicht einzigartig, dass die Corona-Krise Regierungschefs hohe Popularität beschert hat. Das gilt in etlichen Ländern.

Mette Frederiksens Handhabung der Krise scheint jedoch bei einem großen Teil der Bevölkerung besonders gut anzukommen. Es ist jedoch nicht nur das Image der festen, aber fürsorglichen Hand, das zu den guten Umfragewerten führt. Es ist auch die Schwäche der anderen.

Der linke Flügel hat während der Corona-Krise nur wenig Eigenes beigetragen. Und selbst bei der Klimafrage wirken die Sozialistische Volkspartei (SF) und die Einheitsliste eher zahm. Das Thema sollte eigentlich zu ihren Kernthemen zählen.

DF ratlos

Die bürgerliche Opposition erscheint vor allem richtungslos und wenig vereint. Eine glaubhafte Regierungsalternative stellt sie zurzeit nicht dar.

Hier spielen zwei Faktoren eine entscheidende Rolle.

Einerseits schwächelt die Dänische Volkspartei (DF) weiter dahin. Die Partei, die seit der Gründung gewohnt war, von einem Erfolg zum nächsten zu wandern, tut sich ganz offensichtlich schwer damit, mit dem jetzigen Gegenwind umzugehen. Der Rückgang, der sich bei der Europawahl erstmalig zeigte und bei der Folketingswahl wiederholte, hat sich mittlerweile zu einer eigentlichen Krise der Partei entwickelt.

Dies ist entscheidend, denn DF hat „sozialdemokratische“ Stimmen für das bürgerliche Lager gewonnen. Diese Stimmen haben die Sozialdemokraten nun wieder zurückgewonnen. Unter anderem, indem sie auch unter die Hardliner bei der Ausländerpolitik gegangen sind. Hier ist wohl auch die Erklärung dafür zu finden, dass die Regierung nur widerwillig einer allmählichen Öffnung der Grenze zugestimmt hat.

Oppositionsführer führt nicht

Der andere, noch entscheidendere Faktor ist, dass der Opposition die Führung fehlt. Der mittlerweile nicht mehr ganz neue Venstre-Vorsitzende Jakob Ellemann-Jensen wirkt in der Öffentlichkeit blass. Kaum jemand kann erkennen, wie sein politisches Projekt eigentlich aussieht.

Will das bürgerliche Lager sich der Bevölkerung als Alternative anbieten, ist Führung jedoch dringend vonnöten. Wenn man so unterschiedliche Parteien wie die Neuen Bürgerlichen, die Dänische Volkspartei, die Liberale Allianz und die Konservativen unter einen Hut bringen muss, dann braucht es klare Richtungsvorgaben.

Stattdessen steigt der Frust bei den anderen bürgerlichen Parteien über das schwache Auftreten von Ellemann-Jensen. Hinter mehr oder weniger vorgehaltener Hand wird ihm vorgeworfen, bei den Verhandlungen zu den Corona-Maßnahmen zu schwach aufzutreten. Die Beschreibung lautet, man müsse ihn regelrecht zum Jagen tragen.

Mette F. setzt sich durch

Kämpferischer zeigt sich da paradoxerweise die Unterstützerpartei Radikale Venstre. Dies gilt in der Grenzfrage, aber auch bei der Klimadebatte, wo der sozialliberale Vorsitzende Morten Østergaard sogar damit droht, der Regierung die Unterstützung zu entziehen, falls sie nicht entschieden genug handelt. Aber diese Trumpfkarte kann er nur einmal ausspielen.

Das Ergebnis ist, dass Mette Frederiksen zu sehr großen Teilen ihre Politik durchsetzen kann. Dies gilt nicht nur in der Corona-Frage, sondern auch auf anderen Politikfeldern.

Dabei setzt sie auf eine Art „Sozialdemokratie Classic“, ergänzt durch eine sogenannte „harte“ Ausländerpolitik, wo auch die symbolischen Gesten nicht fehlen dürfen. Doch auch die Ausländerpolitik bettet sie ein in eine Erzählung von der Sozialdemokratie als Wächterin des Wohlfahrtstaates. Wo die Regierung auf das Wohl „ihrer“ Bürger schaut, jedoch erwartet, dass diese ihre Pflicht erfüllen – und da darf man diese Erfüllung der Pflicht als Regierungschefin auch schon einmal anmahnen.

Es ist kein kleines Kunststück von Frederiksen, so konsequent sozialdemokratische Politik umzusetzen, wenn man bedenkt, dass die Regierung gerade mal über 48 von 179 Mandaten im Folketing verfügt.

Ohne Koalition

Sie entschied sich nach der Wahl gegen eine Koalition. Und obwohl dies zunächst riskant erschien, hat die sozialdemokratische Vorsitzende wohl richtig gesehen. Es glückt ihr, ihre Politik umzusetzen, weil sie ihre Ziele kennt, und sie sie energisch – manche würden sagen brutal – durchsetzt.

Und genau hier zeigt sich der entscheidende Unterschied zum Herausforderer von Venstre, der im Vergleich noch unsicherer erscheint.

Radikale verschnupft

Frederiksen Stärke kann jedoch auch ihre Achillesferse werden. Ihr Stil irritiert zunehmend Østergaard und die Radikalen, die sie als eigenmächtig empfinden. Wird diese Irritation zu einer eigentlichen Konfrontation, könnte er versucht sein, ins bürgerliche Lager zu wechseln.

Dies wäre dann die entscheidende Chance für Ellemann. Doch eine Regierung, die den Spagat von Radikale Venstre zu DF und den Neuen Bürgerlichen schafft, ist schwer vorstellbar.

Der Venstre-Vorsitzende könnte es, sollte die Situation entstehen, Frederiksen nachmachen und versuchen, im Alleingang Venstre-Politik durchzusetzen. Das erfordert allerdings, dass er sich, der Partei und der Bevölkerung klarmacht, was Venstres Politik eigentlich ist.

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