Diese Woche in Kopenhagen

„Zu den Waffen oder wann ist man in Dänemark so richtig verschlissen?“

„Zu den Waffen oder wann ist man in Dänemark so richtig verschlissen?“

„Zu den Waffen oder wann ist man in Dänemark so richtig verschlissen?“

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen
Kopenhagen
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Im Folketing wurde eine erneute Aufstockung des Verteidigungshaushaltes um 4,5 Milliarden beschlossen. Und obwohl das Thema Verteidigung hoch brisant sei, wurden von medialer und von oppositioneller Seite so gut wie keine Fragen gestellt, meint der Leiter des Kopenhagener Sekretariats der deutschen Minderheit in Dänemark, Jan Diedrichsen.

Politik ist manchmal seltsam oder anders formuliert: es ist manchmal schwierig, nachzuvollziehen, warum einige Diskussionen für enorme Aufmerksamkeit sorgen und andere kommentarlos über die Bühne gehen. 

Ein gutes Beispiel für diese Sonderbarkeit des politisch-medialen Systems, konnte in der vergangenen Woche in Kopenhagen verfolgt werden. Vorweg ist zu vermerken, dass wir in Vorwahlkampfzeiten leben und dass dies bekanntlich immer für etwas schrillere politische Diskussionen sorgt. Die Sozialdemokraten wollen das dänische Rentensystem reformieren, mit dem Ziel, dass diejenigen, die in körperlich anstrengenden Jobs ihr Leben verbracht haben und „verschlissen“ sind, früher in Rente gehen dürfen, als alle diejenigen, die wir nur tagtäglich vor dem Bildschirm hocken.

Im Prinzip ist der Vorschlag ansprechend, denn es gibt in der Tat Jobs, die körperlich so anstrengend sind, dass man es kaum schafft, als Gerüstbauer noch mit Anfang 70 auf dem Bau zu arbeiten. Doch die Regierungsparteien kritisierten - ebenfalls zu Recht-, den in der konkreten Umsetzung völlig nebulös verbleibenden Vorschlag. Wer arbeitet denn bitte körperlich hart und wer nicht? Was ist mit psychischen Belastungen, sind die etwa nicht schlimm? Die Wirklichkeit ist bekanntlich immer konkret. Wer nun früher in Rente gehen darf und wer nicht, das wollte aus der Partei von Mette Frederiksen niemand beantworten. Klärung also erst nach der Wahl. Es war ein gelungener „Wahlkampf-Medien-Stunt“ mit wohlfeiler Medienberichterstattung.

Ganz anders sah es bei einer Entscheidung der vergangenen Woche aus, die enorme finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen wird.  Im Folketing wurde eine erneute Aufstockung des Verteidigungshaushaltes um 4,5 Milliarden beschlossen und das nach den 2018 bereits bewilligten, zusätzlichen 13 Milliarden Kronen. Man berechne mal, wie viel Gerüstbauer dafür frühzeitig in Rente gehen könnten. Aber das wäre dann auch wieder Wahlkampfpopulismus. 
Es darf durchaus kontrovers darüber diskutiert werden, ob es klug ist, mehr Geld in die Verteidigung zu investieren. Leider wird genau dies nicht getan. Die Opposition ließ diese Fragen komplett liegen und stimmte der Etaterhöhung ohne weitere Diskussion zu.

Das Thema Verteidigung ist hoch brisant. Wir erinnern uns, wie markig Donald Trump auch Dänemark angegriffen hat, mit dem Vorwurf, man gebe zu wenig für die eigene Sicherheit aus und ziehe Amerika als Schutz- und Garantiemacht über den Tisch. Doch neben den Drohungen des Klassenrowdys der NATO, kommt auch die aktuelle Angst vor einem neuen Wettrüsten hinzu. Trump hat einseitig das INF-Abkommen mit Russland aufgekündigt und Putin ist dem nun gefolgt. Einer der größten Errungenschaften der Abrüstungsbemühungen des Kalten Krieges, welches die Mittelstreckenraketen aus Europa verbannte, ist nicht mehr. Polen hat bereits gefordert, die USA solle, mit Blick auf eine russische Bedrohung, atomare Mittelstreckenraketen in Europa stationieren. 

Es gibt in dieser sicherheitspolitischen Diskussion, wie so oft in komplexen Zusammenhängen, keine einfachen Antworten. Es gibt jedoch sehr viele Fragen: Kommt es wirklich zu einem Wettrüsten? Kann sich Russland das leisten? Wo steht Dänemark mit Blick auf die neue verteidigungspolitische Zusammenarbeit in der EU? Warum kooperieren wir nicht mehr in Europa, sondern leisten uns über 100 unterschiedliche Waffengattungen? Auf all diese Fragen bekamen wir in der vergangenen Woche keine Antworten, denn sie wurden nicht einmal gestellt. Dem Wähler wurde lieber eine Scheindiskussion über Renten-Versprechungen mit viel Wahlkampfbrimborium vorgespielt.

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