Kulturkommentar

„Drum prüfe, wer sich auf ewig tätowieren lässt“

Drum prüfe, wer sich auf ewig tätowieren lässt

Drum prüfe, wer sich auf ewig tätowieren lässt

Claudia Knauer
Claudia Knauer
Apenrade/Aabenraa
Zuletzt aktualisiert um:

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Ein Kulturkommentar von Büchereidirektorin Claudia Knauer zum Thema tätowieren und dem Wunsch, sich einzigartig zu machen.

Wer an diesen warmen Tagen durch Fußgängerzonen schlendert, am Strand liegt oder durch Wald und Wiesen strolcht – überall trifft er oder sie ganz unvermittelt auf Kunst. Kunst am Körper. Denn immer mehr Menschen allen Geschlechts tragen ein Tattoo. 

Diesen Wunsch, den Körper zu verändern, aus welchen Gründen auch immer, gibt es seit vielen Jahrtausenden und in allen Teilen der Welt. Zu den Alt-Tätowierten zählt die Gletschermumie Ötzi, die immerhin gut 5.300 Jahre alt sein soll. Noch älter sind die Frau und der Mann aus Oberägypten, deren Tätowierungen jüngst entdeckt wurden und die über 5.350 Jahre alt sind.

Die Gründe, wenn die Tätowierungen freiwillig erfolgt sind, können vielfältig sein: Religiös, als Aussage über die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, spirituell, weil man es schön findet, weil alle eins haben.

Dann gibt es noch die Zwangsmarkierungen: Als Verbrecher, Vagabund, Deserteur, Mitglied einer kriminellen Gang und – ganz und gar menschenverachtend – die KZ-Nummern in Auschwitz-Birkenau. Und so markierte Juden durften das später nicht einmal überstechen lassen, denn das verbietet die Religion. Wie im übrigen eigentlich auch die christliche, aber das hat Kreuzritter nicht davon abgehalten, sie ein Kreuz auf die Stirn tätowieren zu lassen.

Die meisten Tattoos sind heute – außer es ist Sommer – etwas weniger sichtbar, aber der Wunsch, sich einzigartig zu machen, ist offenbar immer drängender und die Menschen folgen Frederik IX, aber auch dem britischen König Georg V., dem Spanier Alfonso XIII. und sogar Kaiserin Sissi, die sich 1888 einen Anker auf die Schulter stechen ließ.

Die klassischen Motive wie Anker, Herz und Sterne sind übrigens wieder im Kommen.

Gesund wird es nicht sein, sich Farbe in die Haut praktizieren zu lassen, aber das hat Menschen noch nie von etwas abgehalten – wie die nackte, aber verzierte Haut des Sommers zeigt. Manchmal allerdings ist es auch erleichternd, wenn damit Narben verdeckt und ein Geschehen zwar nicht ausgelöscht, aber doch dem täglichen Blick verborgen werden kann.

Es ist zu hoffen, dass die jungen und mittlerweile auch älteren Menschen, die den Weg ins hoffentlich hygienische Studio finden, sich gut geprüft haben, bevor sie sich ewig an ein Tattoo binden, denn für die wenigstens ist es ein künstlerisches Projekt wie für Valie Export mit dem tätowierten Strumpfband oder Timm Ulrichs mit „The End“ auf dem Augenlid.

Die Dinger wieder loszuwerden, ist nämlich schmerzhaft, teuer und der Ausgang kann ungewiss sein. Dann läuft man statt mit einem „Arschgeweih“ über dem Steiß mit einem schwarzen Schatten dort herum. Und das kann ja nun wirklich nicht ästhetisch sein.

Mehr lesen

Diese Woche in Kopenhagen

Walter Turnowsky ist unser Korrespondent in Kopenhagen
Walter Turnowsky Korrespondent in Kopenhagen
„Keine Ballons am politischen Himmel“

Leitartikel

Gerrit Hencke
Gerrit Hencke Journalist
„Ja zu Tempo 30 innerorts: Warum wir auf die Fakten hören sollten“