Leitartikel

„21 Sekunden für eine bessere Welt“

21 Sekunden für eine bessere Welt

21 Sekunden für eine bessere Welt

Nordschleswig/Sønderjylland
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Auch in Dänemark gibt es Rassismus. Die Herausforderungen sind nicht die gleichen wie in den USA, doch der kleine Alltags-Rassismus macht es auch hierzulande schwierig für Andersfarbige, meint Gwyn Nissen.

Es sind wohl die meistgesehenen 21 Sekunden Stille: Alle warteten bei der Live-Pressekonferenz mit dem kanadischen Premier Justin Trudeau auf eine kritische Antwort auf den Vorschlag Donald Trumps, in den USA Soldaten gegen Anti-Rassismus-Demonstranten einzusetzen. Doch nach langer Stille – 21 Sekunden – drehte Trudeau den Spieß um, und richtete die Kritik an sich selbst und seine Nation. Auch Kanada habe ein Rassismus-Problem, sagte er, statt den Nachbarn (direkt) anzuklagen. Ein starkes Statement.

Auch in Dänemark gibt es Rassismus, möchte man hinzufügen. Sollte man im Zweifel sein, muss man sich nur kurz in den sozialen Plattformen aufhalten, um dies bestätigt zu bekommen. Zum Beispiel kann man sich die Kommentare zu einem Beitrag von Kenneth Kristensen Bernth, Folketingsmitglied der rechtsliberalen Dänischen Volkspartei ansehen. Er meint, die Black-Lives-Matter-Demonstrationen in Dänemark seien lächerlich. Das darf er gerne meinen – immerhin gibt es im Lande Meinungsfreiheit.

Schaut man sich aber die Kommentare dazu an, wird einem klar, wo Bernth und andere Gleichgesinnte stehen: „Wann machen wir Weißen eine Demo?“ „Wir behandeln die Neger in Dänemark gut, aber in den vergangenen Jahren sind Neger zu uns gekommen, die wieder zurückgeschickt werden müssten.“ „Sie sind nicht intelligent genug, ihr eigenes Land zu leiten.“ Und so weiter.

Es ist unter anderem der Sprachgebrauch in der Politik, der den Rassismus im Alltag legalisiert. Nicht nur beim rechten Flügel. In den vergangenen Jahren ist der Ton in den etablierten Parteien der Mitte bis hin zu den Sozialdemokraten ebenfalls rauer geworden.

Sicherlich haben wir in Dänemark nicht die gleichen Herausforderungen wie in den USA, aber wenn ein führender Politiker wie Søren Espersen von der Dänischen Volkspartei darauf besteht, dass er und seine Partei eine eigene Definition von Rassismus haben, dann wird es noch deutlicher, dass auch Dänemark weitere Schritte unternehmen muss, um den Rassismus zu bekämpfen.

Oder man fragt einfach Andersfarbige, wie sie den dänischen Alltag erleben. „Ja, es gibt Rassismus", sagte eine junge Frau am Rande der Demo. „Aber man lernt, damit zu leben.“

Ist es das, was wir wollen? Dass ein Teil unserer Bevölkerung damit leben muss, anders, schlechter und unfair behandelt zu werden? Und müssen diese Mitmenschen damit „leben lernen“, oder sind wir es, die lernen müssen, anders zu reden und zu handeln?

Justin Trudeau hat den Blick nach innen gerichtet. Nicht nur auf sein Land, sondern auch auf sich selbst. Denn genau dort fängt es an, bei jedem Einzelnen von uns, die weiß und privilegiert sind und sich nie Gedanken über ihre Hautfarbe haben machen müssen.

Obwohl wir uns selbst als Anti-Rassisten sehen, scheint auch bei uns – unbewusst – ein Hauch von Rassismus durch. Doch aus diesem Hauch jedes Einzelnen entsteht ein starker Wind – mit dem andere „leben“ müssen.

Nehmen wir uns doch alle mal 21 Sekunden und überlegen, ob wir vielleicht selbst eine Mitverantwortung haben, bevor wir auf Trump, Espersen und Orban zeigen. 21 Sekunden für eine bessere Welt.

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