Leitartikel

„Aarhus-Geschichten“

Aarhus-Geschichten

Aarhus-Geschichten

Nordschleswig/Aarhus
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Vor drei Jahren noch europäische Kulturhauptstadt und mit Lobgesängen überhäuft, fällt Aarhus in diesen Tagen eher negativ auf, schreibt Chefredakteur Gwyn Nissen.

In Dänemark erzählte man sich vor Jahren Aarhus-Geschichten – das sind hierzulande die Ostfriesen-Witze. Doch die verrückten Geschichten aus Aarhus sind verstummt. Aarhus ist heute eine moderne, kleine Großstadt, und als Kulturhauptstadt rückte die zweitgrößte Stadt Dänemarks 2017 sogar ins europäische Rampenlicht. Aarhus war schon immer einen Besuch wert und ist es auch heute.

Nur nicht in diesen Wochen, denn Aarhus bekommt das Coronavirus nicht in den Griff. Der Stadt des Lächelns ist das Lachen nach einem wahren Corona-Boom vergangen, und stattdessen fällt Aarhus in diesen Tagen durch wahre Aarhus-Geschichten auf.

So konnten es über 1.000 Fans nicht lassen, gemeinsam auf dem Rathausplatz zu feiern, als der Fußballklub AGF zum ersten Mal seit 23 Jahren wieder eine Medaille gewann. Fairerweise muss man sagen, dass keine Verbreitung des Coronavirus nachgewiesen werden konnte. Doch schlau war das nicht in dieser Corona-Zeit.

Für eine weitere Aarhus-Geschichte sorgte Ausländer- und Integrationsminister Mattias Tesfaye von den Sozialdemokraten. Der eingefleischte AGF-Fan schrieb vor dem Spiel von FC København gegen Manchester United einen Tweet, wo er gegen die Spieler Jens Stage und Kamil Wilczek herzog, indem er sie „Judas Stage“ und „Kamil Paycheck“ nannte – die beiden Spieler waren von AGF und Brøndby nach Kopenhagen gewechselt.

Da hatte sich der Minister ganz gewaltig im Ton vergriffen und löschte seinen Tweet – aber zu spät. Der Fauxpas war schon viral. Und Tesfaye? Der entschuldigte sich ohne weitere Kommentare und tauchte unter: Sechs Wochen Mutterschutz kamen da gerade zur rechten Zeit.

Für die dritte Aarhus-Geschichte sorgte Bürgermeister Jacob Bundsgaard selbst: Er will die Festwoche in Aarhus durchziehen, obwohl die Provinz-Hauptstadt der Corona-Hotspot überhaupt in Dänemark ist. Von 767 neu Infizierten in Dänemark seit dem 5. August kommen 440 aus Aarhus.

Während alle anderen verantwortlichen Veranstalter Stadtfeste, Turniere und Festivals absagen, will Bundsgaard trotz Kritik die zehn Tage lang dauernde Festwoche durchführen. Schwitzende, feiernde und betrunkene Festteilnehmer in Festzelten in Aarhus? Das scheint nicht die schlaueste Entscheidung des Bürgermeisters zu sein. Ach ja, Jacob Bundsgaard ist nicht nur Bürgermeister, sondern auch Vorsitzender von Aarhus Festuge.

Das Ganze ist nicht zum Spaßen: In Aarhus sind neue Schutzmaßnahmen ergriffen worden, und Norwegen hat gerade Reisen nach Aarhus und Mitteljütland untersagt. Da brauchen wir nicht mehr Aarhus-Geschichten, sondern verantwortungsbewusstes Handeln, damit sich weder das Coronavirus noch schlechte Minister-Witze weiter verbreiten.

 

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