Leitartikel

„Ballett mit Wundertüte “

Ballett mit Wundertüte

Ballett mit Wundertüte

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Apenrade/Aabenraa
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Die königliche Gala-Veranstaltung in Kopenhagen war am Freitag der Startschuss für das dänische Wiedervereinigungsjahr 2020. Der ehemalige Chefredakteur des „Nordschleswigers", Siegfried Matlok, hat genau hingeschaut.

Am Freitag wurde im Königlichen Theater der Startschuss für das dänische Wiedervereinigungsjahr 2020 gegeben. Die königliche Gala-Veranstaltung, zu der Staatsministerin Mette Frederiksen eingeladen hatte, bekam royalen Glanz durch die Anwesenheit von Königin Margrethe und ihrer in Deutschland lebenden Schwester Benedikte; das Kronprinzenpaar und überraschend auch Prinz Joachim waren offenbar verhindert.

Die Live-Übertragung in beiden Fernsehanstalten unterstrich die Bedeutung dieser Festveranstaltung, an der erfreulicherweise auch zahlreiche Vertreter der deutschen Minderheit teilnehmen durften. Deutscher Ehrengast war der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther, der inzwischen schon in seiner Person ein Stück deutsch-dänische Freundschaft verkörpert und  auch für die Königin bereits ein gern gesehener Gast auf Amalienborg geworden ist. 

Sicherlich wird  sich der Politiker aus Kiel seine Gedanken darüber gemacht haben,  wie auf deutscher Seite des 100. Jahrestages der Grenzziehung gedacht wird, der am 14. März 1920 seinen Höhepunkt fand, als Flensburg sich mit großer Mehrheit bei der Volksabstimmung für Deutschland entschied – nach dem dänischen Abstimmungserfolg am 10. Februar in Nordschleswig. 

Die national-emotionale Stimmung, die aus dem Königlichen Theater auch per Bildschirm in die dänischen Wohnzimmer übermittelt wurde, dürfte südlich der Grenze – ohne zu übertreiben – kaum zu übertreffen sein, dazu sind die historischen Voraussetzungen einfach zu unterschiedlich. 

Auch wenn die TV-Kommentatorin von „Danmarks Radio“ auf dem roten Teppich davon sprach, „dass Deutsche und Dänen seit 100 Jahren Seite an Seite in Frieden und Harmonie zusammengelebt haben“.  Schön wär‘s! Nun, manches wird offenbar in Kopenhagen – wie so oft – mal wieder anders wahrgenommen als die deutsch-dänische Wirklichkeit seit 1920, die ja nun wahrlich nicht immer glanzvoll verlief.  

Im reichhaltigen Programm stach eine Weltpremiere heraus: Der berühmte Hamburger Ballett-Choreograf John Neumeier – seit vielen Jahren auch mit der dem Ballett persönlich sehr eng verbundenen Königin Margrethe befreundet –  bot mit dem deutsch-ukrainischen Solotänzer Alexandr Trush und der dänischen Ballerina Ida Praetorius „Pas de deux“ („Persistent Persuasion 2020“) eine Weltklasse-Aufführung. 

Daran dürfte sicherlich besonders der aus Nordschleswig stammende ehemalige Staatsminister Poul Schlüter zusammen mit seiner Frau Mie (Ballett-Lehrerin am Königlichen Theater) seine helle Freude gehabt haben. Immerhin war es eine Neumeier-Aufführung in Verbindung mit dem Staatsbesuch von Bundespräsident Richard von Weizsäcker, die damals den amourösen Funken zwischen den beiden entzündete. 

Staatsministerin Mette Frederiksen unterstrich in ihrer Ansprache auf der Bühne nicht nur das gute deutsch-dänische Verhältnis, sondern lobte ausdrücklich auch die deutsche Minderheit und das Verhältnis im Grenzland, das nach ihren Worten sogar vorbildlich für die ganze Welt (!) sei.

Auch die Tatsache, dass neben den vielen „Genforenings“-Feierlichkeiten in ganz Dänemark gleichzeitig in beiden Ländern viele Veranstaltungen im Rahmen eines kulturellen deutsch-dänischen Freundschaftsjahres stattfinden, zeigt eindrucksvoll, dass es der Staatsministerin – ebenso wie ihrem Vorgänger Lars Løkke – sehr daran gelegen ist, die deutsch-dänischen Beziehungen gerade aus historischem Anlass freundschaftlich zu vertiefen. Und nicht nur auf Regierungsebene, sondern eben – noch wichtiger  – auch zwischenmenschlich. 

Über die eine oder andere Formulierung in ihrer Rede lässt sich ebenso diskutieren wie über die Zusammensetzung des Programms, aber es gab leider einen Punkt, der nicht unwidersprochen bleiben kann. Die Rede der Staatsministerin wurde auf der Leinwand der Bühne auch für die nur deutschsprachigen Gäste in deutscher Sprache geliefert, nur dabei gab es einen – sicherlich nicht böswillig verschuldeten – Übersetzungsfehler.

Es war  plötzlich von „Süderjüten“ die Rede, aber jeder, der ein bisschen Ahnung von Grenzland hat, weiß, dass es zwar Wundertüten gibt – aber eben keine Süd(er)jüten! Die korrekte historische Bezeichnung wäre also dänische oder deutsche Nordschleswiger gewesen. 

Glücklicherweise haben nicht alle im voll besetzten Theater diesen Text sehen können. Die Feststimmung im Publikum hat dies zwar nicht trüben können, aber wenn wir 2020 historisch ehrlich miteinander umgehen wollen – und das ist doch die Absicht aller inklusive der deutschen Minderheit –, dann muss man die Dinge auch beim (rechten) Namen nennen.

 

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