Leitartikel

„Chance in der Krise“

Chance in der Krise

Chance in der Krise

Apenrade/Aabenraa
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Während China und die USA sich mit Sanktionen bekriegen, sichert die EU ein Freihandelsabkommen nach dem nächsten. Gut so, meint Cornelius von Tiedemann – zumal für den Arbeitsmarkt in Nordschleswig.

 

Überall Krise. Iran. China. Europa. Europa? Trotz des Brexit und einer EU-Kommission in den letzten Zügen zeigt sich der Kontinent selten agil dieser Tage. Während sich andere Handelsmächte gegenseitig auszuschalten versuchen, könnten die europäischen Vorstöße in die Räume, die sich anderweitig auftun, dänischen und somit auch nordschleswigschen Unternehmen mit Exportfokus enorm nutzen.

Denn während die großen Handelsnationen auf der einen Seite Handel durch Zölle und andere Maßnahmen erschweren, werden auf der anderen Seite enorme Handelserleichterungen vereinbart. Alle zentral in Brüssel – und Dänemark profitiert. Ob Kanada, Japan, Mexiko oder zuletzt das umfassende Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay.

„Ich habe meine Worte wohl abgewägt, wenn ich sage, dass dies ein historischer Augenblick ist. In einer Zeit internationaler Handelsspannungen tun wir heute mit unseren Partnern aus dem Mercosur deutlich kund, dass wir für einen auf Regeln beruhenden Handel stehen“, sagte Noch-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker dazu vor zwei Wochen.

Bei allen Schreckensnachrichten im Handelskrieg zwischen Peking und Washington ging die Nachricht, dass die EU ihr historisch größtes Freihandelsabkommen geschlossen hat, fast unter. Nur ein Beispiel: Unternehmen aus Nordschleswig, die Maschinen nach Brasilien liefern wollen, können jetzt 14 bis 20 Prozent günstiger anbieten, weil die Zölle wegfallen. Milcherzeugnissen aus Dänemark werden in Zukunft keine 28 Prozent Zoll mehr auferlegt – und so weiter.

Die Handelsabkommen mit Mexiko und dem Vietnam sind noch nicht ratifiziert, deuten aber schon jetzt an, ganz wie das Abkommen mit den Mercosur-Staaten, dass Europa in der Weltwirtschaftspolitik nicht nur handlungsfähig ist, sondern ein enorm progressiver Akteur. In den Abkommen wird auf Nachhaltigkeit und Lebensmittelstandards gesetzt, auf die gegenseitigen Werte Rücksicht genommen – und eine enorme politische Robustheit hinter die Verträge gesetzt.

Diese Wucht, die Europa als größter Binnenmarkt der Welt, der zugleich das größte Brutto-Inlandsprodukt der Welt verkörpert, in solche Abkommen einbringt, macht deutlich, wie wertvoll die EU für Dänemark ist. Denn die Unternehmen können dank ihr nicht nur in Europa frei handeln, sondern auch in vielen der wichtigsten Weltmärkte – und das mit der Sicherheit von in Brüssel ausgehandelten Verträgen im Rücken.

Nur mal zum Vergleich: In der Weltrangliste des BIP nach Kaufkraftparität liegt der Europäische Binnenmarkt auf Rang 1 vor China und den USA. Dänemark liegt, hinter Ländern wie Marokko, Pakistan, Bangladesh, dem Irak, Kasachstan, Peru, Myanmar oder Griechenland laut IWF auf Rang 59.

Jetzt können Unternehmen aus Dänemark, aus Nordschleswig, sich (erstmals oder freier als bisher) auf dem bisher äußerst geschützten brasilianischen Markt umtun. Das wird mit hoher Wahrscheinlichkeit Arbeit machen. Arbeit, die gemacht werden muss.

Womöglich von neu einzustellenden Mitarbeitern.

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