Leitartikel

„E-Autos – zum Wohlfühlen?“

„E-Autos – zum Wohlfühlen?“

„E-Autos – zum Wohlfühlen?“

Apenrade/Aabenraa
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Es wäre großartig, wenn wir in Zukunft alle saubere E-Autos fahren – wenn sie wirklich sauber sind. Und bis das nicht geklärt ist, sind Fahrverbote für Benziner und Dieselautos eine Wohlstands-Träumerei von Europäern, die an ihr eigenes Wohl denken, anstatt das Klima im Gesamtkontext dieser Welt zu betrachten, meint Sara Wasmund.

Wie realistisch muss Politik sein – und wo ist träumen erlaubt, um sich auf Wunschziele zuzubewegen? Diese Frage kann man der Einheitsliste stellen, nachdem sie in ihrem Klimaplan vorgeschlagen hat, dass der Verkauf neuer Diesel- und Benzinautos ab 2025 verboten wird. Stattdessen soll der Verkauf von E-Autos subventioniert werden. Ein Vorschlag, der mit Blick auf die benötigte Anzahl und die tatsächliche Produktion von E-Autos wohl kaum umsetzbar sein wird.

Auch die Frage, wie – und vor allem wann – sich auch Geringverdiener ein E-Auto werden leisten können, sollte zunächst geklärt werden, bevor irgendwelche Verbote ausgesprochen werden, die die Lebensgrundlage von Bürgern betreffen. Noch steckt die Massenproduktion von E-Autos in den Kinderschuhen, noch sind viel zu viele Fragen offen. Fragen, auf die auch die Einheitsliste die Antworten noch nicht in Gänze kennt. Wie und wo werden dereinst all die Batterien der dann in Hülle und Fülle produzierten E-Autos entsorgt? Und die wichtigste von allen: Woher nehmen wir Europäer eigentlich all die Rohstoffe, all das Kobalt, das benötigt wird, um die Batterie eines E-Autos herzustellen? Na, wer kennt die Antwort? Afrika!

Der Abbau von Rohstoffen, die für Elektroautos benötigt werden, geht in Afrika zum Teil unter menschenunwürdigen und umwelttechnisch katastrophalen Bedingungen vonstatten, wie mehrere Dokumentationen belegen. Zwar versprechen Hersteller, fair und sauber abgebaute Rohstoffe verwenden zu wollen – aber die Wirklichkeit sieht viel zu oft anders aus.

Da ist er wieder, der Graben zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Wir Europäer wünschen uns eine saubere Welt vor unserer Haustür. Und wir haben das Privileg, den zweiten und dritte Weltländern in Wohlstand und Wohlergehen soweit voraus zu sein, dass wir uns den Luxus leisten können, umweltpolitisch sauber zu denken. Und zu handeln. Wir wollen saubere Autos auf sauberen Straßen, wollen saubere Energie um uns sauber zu fühlen.

Aber Tatsache ist dabei auch: Wir Europäer bedienen uns einmal mehr an afrikanischen Rohstoffen. Weil wir es brauchen und wir es uns leisten können. Im Gegenzug werden unsere alten Dieselautos und Benziner dann ja nach Afrika verschifft. Die freuen sich doch, wenn sie überhaupt ein Auto haben, oder? Was für eine Überheblichkeit. Weg mit unseren alten Stinkeautos, ab nach Afrika oder in den Osten, aus den Augen, aus dem Sinn.
In Wirklichkeit bauen wir unser durchaus gut gemeintes Wohlfühlen auf Kosten anderer aus. Weil wir weiter sind, weil wir es uns leisten können. Bis nicht sämtliche Rohstoffminen in Afrika umweltfreundlich, zertifiziert und kontrolliert sind, bleibt die Wohlfühlkarte E-Auto eine schöne Illusion.

Ohne Frage: es wäre großartig, wenn wir in Zukunft alle saubere E-Autos fahren – wenn sie wirklich sauber sind. Und bis das nicht geklärt ist, sind Fahrverbote für Benziner und Dieselautos eine Wohlstands-Träumerei von Europäern, die (mal wieder) an ihr eigenes Wohl denken, anstatt das Klima im Gesamtkontext dieser Welt zu betrachten. Oder hat schonmal jemand dran gedacht, dass die Nationen in Afrika, von denen „wir“ unsere E-Auto-Rohstoffe beziehen, ihre Bodenschätze in ein paar Jahrzehnten vielleicht selbst nutzen wollen, um sauber zu fahren?

Jedes Klimaziel, das uns ein Stück näher an eine gesündere Welt bringt und das Klima tatsächlich schützt, ist zu begrüßen. Aber es muss die Folgen für die gesamte Welt im Blick haben. Träumen ist erlaubt – aber bitte nicht auf Kosten anderer.

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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