Leitartikel

„Finanzielle Altersprobleme“

Finanzielle Altersprobleme

Finanzielle Altersprobleme

 Apenrade/Aabenraa
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Das Pensionierungsalter steigt laufend weiter an, und die Zahl der Beschäftigten, die im Rahmen der Vorruhestandsregelung „Efterløn“ einige Jahre früher als mit 66/67 Jahren den Job verlassen können, schrumpft rasant zusammen. Das kann problematisch werden, meint Volker Heesch.

Im Wahlkampf des Jahres 2019 war ein heiß diskutiertes Thema das Versprechen der späteren Siegerin der Folketingswahl, Mette Frederiksen, älteren Beschäftigten, die nach schwerem Arbeitsleben vorzeitig außer Stande sind, weiter ihrer Arbeit bis zum offiziellen Ruhestandsalter nachzugehen, ein würdiges, vorzeitiges Ruhegehalt zukommen zu lassen.

Bis heute ist das Versprechen nicht voll eingelöst worden. Allerdings steigt das Pensionierungsalter laufend weiter, und die Zahl der Beschäftigten, die im Rahmen der Vorruhestandsregelung „Efterløn“ einige Jahre früher als mit 66/67 Jahren den Job verlassen können, schrumpft rasant zusammen.

Eine neue Untersuchung des Wirtschaftsforschungsinstitutes „Arbejderbevægelsens Erhversråd“ (AE) weist darauf hin, dass sowohl die schrittweise Anhebung des Ruhestandsalters als auch das Auslaufen der noch von der früheren Regierung unter Venstre-Führung und mit  Stimmen der Dänischen Volkspartei immer unattraktiver gemachten „Efterlønregelung“ dazu beigetragen hat, dass die Menschen in Dänemark insgesamt im Durchschnitt länger berufstätig sind als in früheren Jahren.

Das entspricht der Zielsetzung der politisch auf breiter politischer Basis  2006 vereinbarten Wohlfahrtsreform. Diese sieht vor, dass aufgrund des steigenden Lebensalters zur Finanzierung der damit steigenden Versorgungsbürde die Menschen länger berufstätig bleiben, um die Kasse des Wohlfahrtsstaates ausreichend zu füllen. So hat  im Alter von 62 Jahren inzwischen nur eine von fünf Personen des Jahrgangs den Arbeitsmarkt verlassen. Vor wenigen Jahren waren es noch zwei von fünf.

Das Institut AE weist aber darauf hin, dass trotz der Reform aktuell jeder Fünfte eines Jahrgangs in Dänemark vor Vollendung des 60. Lebensjahres aus dem Arbeitsleben ausgeschieden ist. Und kurz vor Erreichen des offiziellen Pensionsalters, seit 1. Januar 2020 liegt es bei 66 Jahren, hatten 60 Prozent des  Jahrgangs bereits  ihre Berufstätigkeit beendet.

Von diesen bezog die Hälfte „Efterløn“, jeder Vierte Frühpension, jeder Siebte Sozialhilfe und ein Zehntel bekam keine öffentlichen Leistungen, lebt offenbar von Eigenvorsorge. Interessant ist an der AE-Untersuchung, dass  bisher Mitglieder der traditionellen Arbeiterklasse und der Mittelbau,  z. B. Lehrer und Krankenschwestern, mithilfe des „Efterløns“  aus dem Arbeitsleben ausscheiden.
Die Besserverdienenden  setzten vermehrt ihre Berufstätigkeit fort.

Die Wirtschaftsanalytiker warnen, dass Menschen, die  sich  vor dem offiziellen Pensionsalter  dem Arbeitsleben nicht mehr gewachsen sehen, vor allem wirtschaftlich schweren Zeiten entgegensehen, weil ihnen der „Efterløn“ nicht mehr als soziale Abfederung zur Verfügung steht.

Die sozialdemokratische Regierung steht vor einer großen Herausforderung, das Versprechen einzuhalten, vor allem gesundheitlich angeschlagenen  Beschäftigten einen „würdigen“ vorzeitigen Ausstieg  aus dem Arbeitsleben zu ermöglichen.

Es ist sonst mit einer wachsenden Gruppe von Senioren zu rechnen, denen vor Erreichen der Versorgung durch die Folkepension ein Absturz in die Sozialhilfe droht, selbst wenn sie jahrzehntelang gearbeitet und Steuern gezahlt haben.  

 

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