Leitartikel

„Furcht und Gefühle“

Furcht und Gefühle

Furcht und Gefühle

Nordschleswig/Sønderjylland
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Spitzenjuristen in Dänemark haben darauf aufmerksam gemacht, dass die Politik in ihrer Handhabung der Corona-Krise zu weit gegangen ist und die Rechtssicherheit gefährdet. Das ist ein wichtiger Beitrag in der Diskussion über die Maßnahmen in Krisenzeiten, meint Chefredakteur Gwyn Nissen.

In den ersten Wochen der Corona-Krise war rasches Handeln angesagt. Die dänische Regierung tat laut Staatsministerin Mette Frederiksen (Soz.) „alles, was nötig“ war, um die Verbreitung des Virus zu verhindern. Die Bevölkerung steht zwar hinter Frederiksen, doch nun erntet sie Kritik von Spitzenjuristen im Lande: Die Politiker seien zu weit gegangen, und die Rechtssicherheit in Dänemark sei in Gefahr.

Es ist eine ernsthafte Anklage der Juristen im „Jurapanel“ des Fachverbandes für Juristen und Ökonomen (DJØF), in dem 51 Juristen von Universitäten, Interessenverbänden und Unternehmen ihren Sitz haben.

Die Juristen drücken ihr Verständnis für die Gesamtsituation aus, aber die Politiker hätten sich zu sehr von Gefühlen und Symbolpolitik leiten lassen. Als Beispiele nennen die Juristen die eingeführten härteren Strafen in Verbindung mit Corona-Kriminalität (zum Beispiel beim Diebstahl von Schutz- und Desinfektionsmitteln) und die Grenzschließung.

Die juristische Einschätzung ist bemerkenswert und wichtig sowohl während der jetzigen Situation als auch in kommenden Notsituationen, denn natürlich muss die Politik schnell handeln, aber in einem Rechtsstaat gibt es auch demokratische Spielregeln, die einzuhalten sind. Da müssen Gefühle und Furcht auch mal zurückgestellt werden – und nicht umgekehrt.

Die Regierung – und vor allem der Gesundheitsminister – haben heute neue, weitreichende Befugnisse, die sie vor einigen Monaten nicht hatten. Eine große Mehrheit der Bürger findet dies grundlegend in Ordnung, weil wir in Dänemark unseren Politikern vertrauen.

Doch es gibt auch Grenzen. So wollte die Regierung zu Beginn der Corona-Krise auch Behörden und Polizei ohne richterlichen Beschluss ungehinderten Zugang zu Privateigentum gewähren. Dagegen sträubte sich – zum Glück – eine Mehrheit im Folketing.

Einige Corona-Maßnahmen haben, so rechtfertigt sich die Regierung, eine Deadline und laufen automatisch aus. Doch auch das ist keine Garantie. Man erinnere sich an die Einführung der Grenzkontrollen in der Flüchtlingskrise, die bis heute verlängert worden sind, nun allerdings mit der neuen Begründung der Terrorgefahr.

Daher ist eine gewisse Skepsis von Juristen und Bürgern im Allgemeinen angesagt, damit aus der Notsituation keine neue Normalsituation entsteht. Die Corona-Maßnahmen der Regierung sind daher ein Balanceakt zwischen gesundheitlicher Sicherheit und Rechtssicherheit. Das haben die Juristen – ohne Furcht und Gefühle – deutlich dargestellt.

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