Leitartikel

„Dem Hass die Stirn bieten“

Dem Hass die Stirn bieten

Dem Hass die Stirn bieten

Nordschleswig/Sønderjylland
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Die Anzahl der Hass-Delikte ist in Dänemark nicht sonderlich groß; dafür ist die Dunkelziffer umso größer. Wir müssen dem Hass die Stirn bieten, gibt Nordschleswiger Chefredakteur Gwyn Nissen zu bedenken.

Auf den ersten Blick kann man mit dem Umfang „leben“: In Dänemark wurden im vergangenen Jahr 449 Fälle von Hasskriminalität der Polizei gemeldet. Im Durchschnitt also etwas mehr als eine Tat am Tag. Jeder Fall ist einer zu viel, aber alles in allem zeichnet sich ein Bild eines toleranten Dänemarks ab, zumal es im Nachbarland Schweden jährlich zehnmal so viele Fälle gibt.

Doch der Schein trügt. Zum einen hat sich die Zahl der Anzeigen seit 2015 mehr als verdoppelt, zum anderen geht die dänische Reichspolizei davon aus, dass die Dunkelziffer noch viel höher ist. Nicht nur die verbalen und physischen Übergriffe sind daher ein Problem, sondern auch die fehlenden Anzeigen. Die Gründe mögen viele sein, aber anscheinend fehlt das grundlegende Vertrauen, dass die Polizei solche Fälle ernst nimmt.

Dabei ist es schlimm, was im öffentlichen Raum passiert. Das zeigen die Beispiele des vergangenen Jahres: Einer jüdischen Frau wird ein Hakenkreuz auf die Kühlerhaube gekratzt. Ein Mann wird von mehreren Personen getreten und geschlagen, während er als Flüchtling beschimpft wird. Drei Männer schütten an der Bushaltestelle ihr Bier über einer afrikanischen Frau aus, beschimpfen sie als „Nigger“ und drohen, sie umzubringen.

Dazu kommen noch die unzähligen Fälle von verbalen Übergriffen und Beschimpfungen. Für einige soziale Gruppen leider Alltag – auch in Dänemark.

Rigspolitiet hat die neueste Entwicklung zum Anlass genommen, eine Kampagne ins Leben zu rufen: Stop hadet. Auf Deutsch: Stoppt den Hass. Die Kampagne fordert Opfer dazu auf, die Übergriffe bei der Polizei anzuzeigen.

Viele seien sich darüber gar nicht bewusst, dass sie Opfer von Hasskriminalität seien, so Tenna Wilbert von der Reichspolizei. Doch in den Organisationen, die diese sozialen Gruppen (zum Beispiel LGBT, Ausländer, religiöse Gruppen) vertreten, sind die Fallzahlen sehr viel höher als bei der Polizei. Daher ist die Kampagne der Polizei längst überfällig – aber auch die Einsicht, dass die Polizei eine Mitverantwortung an diesem Missstand hat.  

Denn jeder Übergriff ist einer zu viel. Auch wenn es „nur“ 449 sind, und auch wenn einige „nur“ beschimpft worden sind. Wer Hasskriminalität erlebt, weiß ganz genau, dass ihm/ihr Unrecht geschehen ist. Daher müssen wir – die Polizei, du und ich – dem Hass die Stirn bieten.  

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