Leitartikel

Hausgemachte Schlafprobleme

Hausgemachte Schlafprobleme

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Apenrade/Aabenraa
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Foto: dpa

Die jungen Leute stehen unter Druck. Lange Schultage und Soziale Medien, die einen Perfektionismus vorgaukeln. Gut aussehen und Erfolg haben. Wer kann da schon jeden Tag mithalten, fragt sich Jan Peters.

Die jungen Leute stehen unter Druck. Lange Schultage und Soziale Medien, die einen Perfektionismus vorgaukeln. Gut aussehen und Erfolg haben. Wer kann da schon jeden Tag mithalten, fragt sich Jan Peters.

Binomische Formeln, Flächen- und Volumenberechnung – das waren Themen in der Realschulabschlussprüfung vor knapp 20 Jahren. Für die heutigen Schüler eine Lachnummer, beschäftigen sie sich doch schon in der sechsten Klasse mit Wahrscheinlichkeitsrechnung. Dieses Beispiel aus dem Mathematikunterricht zeigt nur, welch großem Wissensspektrum sich die Jugendlichen anno 2017 gegenübersehen, das sie sich aneignen sollen. Vor anderen Fächern macht der Wissenschaftszug ebenfalls nicht halt, und die Menge des zu Erlernenden nimmt stetig zu. Die langen Schultage seit Umsetzung der Schulreform im Jahr 2014 tun ein Weiteres und setzen die jungen Leute unter Druck.

Neben dem schulischen Lernzwang steigt  auch das Gewicht der sozialen Last auf den jungen Schultern.  Die Medien, in denen sich die jungen Menschen bewegen, gaukeln Perfektionismus vor. Wer veröffentlicht denn schon auf   Facebook, dass er am Morgen mit einem Pickel auf der Nase aufwachte? Dort sind natürlich die tollen Fotos von der Wochenendparty  gepostet – gute Laune und  fesche Klamotten inklusive. Gut aussehen und Erfolg haben ist dort die Devise.  Rhetorisch gesprochen: Wer kann da schon jeden Tag mithalten?

Hinter manchen dieser arg geforderten Jugendlichen  stehen  Eltern, die mit  hohen Erwartungen zusätzlich für Stress sorgen.

Die Folge: Hochdruck – und damit verbunden Schlaf- und Einschlafstörungen. Statt aber die Sache von Grund auf anzugehen und zu beseitigen, wird – wie bei den Erwachsenen – in die medizinische Trickkiste gegriffen. Schlafmittel sollen das Problem lösen. Neue Zahlen der Gesundheitsdatenbehörde belegen den Trend. Über 8.000 Jugendlichen und jungen Erwachsenen wurden 2016 solche  Arzneimittel verschrieben. Von Ärzten wohlgemerkt! Dabei ist noch nicht einmal wissenschaftlich untersucht, wie sich Melatonin, eigentlich  das körpereigen hergestellte  Schlafhormon, langfristig auf die unausgereiften Körper – und vor allem Gehirne auswirkt.  

Hier sollten in erster Linie die Eltern solch bedauernswerter Geschöpfe eine gehörige Standpauke bekommen. Sie sollten, als Bezugsperson und Verantwortliche  für ihre Kinder, das Übel  von der  Wurzel an bekämpfen. Eltern sollten hinterfragen, warum ihr Sprössling nicht in das Land der Träume fällt – und ihnen mit Gesprächen, entlasteten Tagen sowie manchmal  einem Besuch beim Psychologen helfen.

Und auch Ärzte sollten, statt gleich den Rezeptblock zu zücken, auf Beratung und Überweisung zu geeigneten Stellen setzen. Die Politik hat inzwischen mit den Zügeln  in die  richtige Richtung gelenkt: Einige Schulen können die Länge des Schultages selbst festlegen. Das 8-bis-16-Uhr-Programm  wird damit langsam aufgeweicht. Jugendliche, die nicht mehr schlafen können, weil sie überfordert sind, müssen von allen Seiten geschützt werden. Die Devise sollte in solchen  Fällen heißen: Weniger ist mehr!

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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