Leitartikel

„Historische Ungerechtigkeit“

Historische Ungerechtigkeit

Historische Ungerechtigkeit

Nordschleswig/Sønderjylland
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Wer unter Bauarbeiten zur Erweiterung des eigenen Hauses oder der Firmenzentrale auf archäologische Funde stößt, wird in Dänemark zur Kasse gebeten. Verantwortlich dafür ist das Museumsgesetz, das hoffnungslos veraltet ist, meint Chefredakteur Gwyn Nissen.

Seit 2002 haben öffentliche Kassen und private Investoren insgesamt 1,9 Milliarden Kronen zahlen müssen, weil bei ihren Bauvorhaben historische Funde zutage gekommen sind. Wer nämlich in Dänemark im Untergrund fündig wird, muss zahlen. So schreibt es das Museumsgesetz vor – ein hoffnungslos veraltetes Gesetz.

Jüngst musste ein junger Landwirt aus Jütland tief in die Tasche greifen, weil bei den Erdarbeiten auf seinem Grundstück bei Stoholm ein Grab und sieben Häuser aus der Eisenzeit auftauchten. Danach mussten die Bagger abgezogen werden, und stattdessen rückte das archäologische Team des verantwortlichen Museums an.

Die Einrichtung entscheidet selbst, wonach und wie lange in dem Untergrund gegraben und geforscht wird. Zahlen tut es unter allen Umständen der Bauherr selbst. In diesem Fall muss der Junglandwirt 250.000 Kronen zahlen. Nicht gerade ein schöner Dank dafür, dass er ein Stück dänische Geschichte ans Licht befördert hat.

Ein Bauherr hat keine Möglichkeit, die Ausgrabungen zu stoppen – was auch nicht sinngemäß wäre, wenn schon einmal die Chance besteht, aus der Geschichte zu lernen – aber er hat auch keine Möglichkeit, gegen die anfallenden Kosten zu protestieren, geschweige denn, sie erstattet zu bekommen.

Nicht nur die Landwirtschaft ist darüber verwundert, dass diese Regelung seit Jahren Wirtschaftsunternehmen und Privatleuten Kosten für Maßnahmen auferlegt, für die man nicht verantwortlich ist, und wo man keine Chance hat, sie vorher abzuschätzen. Ein Unternehmen wie die Meierei Thise musste in Verbindung mit einem Neubau ebenfalls für die Museumsarbeiten zahlen: 1,9 Millionen Kronen.

Die Funde, die zutage kommen, sind laut den Museen wichtig, können sie doch die Geschichte des Landes neu (be)schreiben. Gerade deswegen müsste es nicht die Aufgabe des einzelnen Häuslebauers oder Unternehmens sein, die Kosten für archäologische Ausgrabungen zu übernehmen.

Die Erforschung der Geschichte Dänemarks ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die nicht auf das Prinzip Zufall bauen, sondern von uns allen bezahlt werden sollte – also vom Staat. Es besteht darüber hinaus auch das Risiko, dass bereits bei der Durchführung von Projekten in den vergangenen 15 Jahren wichtige Funde wieder verschüttet worden sind – weil niemand wirklich gern die Rechnung anderer übernimmt.

Das Gesetz ist und bleibt eine historische Ungerechtigkeit, das mit seiner Abschaffung baldigst in die Geschichtsschreibung übergehen sollte.

 

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