Leitartikel

„Kauffmann Trump “

Kauffmann Trump

Kauffmann Trump

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Apenrade/Aabenraa
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Die Tatsache, dass der Kalte Krieg nun zurückgekehrt ist – am Freitag durch die Aufkündigung des INF-Vertrages –, bedeutet, dass Grönland für die Amerikaner wieder strategisch enorm an Bedeutung gewinnt, zumal auch der Klimawandel neue sicherheitspolitische Herausforderungen bringt, meint Siegfried Matlok.

Mit Donald Trump kommt Anfang September bereits der vierte US-Präsident zu einem Staatsbesuch nach Dänemark. Ausdruck der engen Beziehungen zwischen beiden Ländern und dem Lob der Supermacht für den kleinen dänischen Alliierten, dass das Königreich im Norden gewichtiger sei, als seine Größe dazu berechtigt.   Bei den Gesprächen mit Trump wird die Arktis eine zentrale Rolle spielen; ein Rückblick zum besseren Verständnis ist umso wichtiger.

Um 1880 – etwa zur gleichen Zeit, da Trumps Großvater Friedrich seine Heimat in Kallstadt an der rheinland-pfälzischen Weinstraße Richtung USA verließ – wanderten rund 80.000 Dänen nach Amerika aus; darunter auch viele „Sønderjyder“ als Folge des Krieges 1864. Erste große Bedeutung für Dänemark gewannen die USA durch ihren Eintritt in den Ersten Weltkrieg und die 14 Punkte ihres damaligen  Präsidenten Woodrow Wilson, die im Versailler Vertrag u. a.  die Volksabstimmung in den beiden schleswigschen Zonen bewirkten. Dänen-Führer H. P. Hanssen berief sich ausdrücklich auf die Forderung nach Selbstbestimmungsrecht von Wilson, der damit indirekt zum Vater der Grenzziehung 1920 wurde, die – wider Willen – auch die deutsche Minderheit in Nordschleswig schuf. 

Der Durchbruch – sozusagen – kam mit dem Zweiten Weltkrieg während der deutschen Besatzungszeit in Dänemark durch den dänischen Diplomaten Henrik Kauffmann, der sich als Gesandter in Washington nach dem Einmarsch am 9. April 1940 nicht an die Direktiven aus Kopenhagen gebunden fühlte, da die dänische Regierung nach seiner Ansicht nicht frei handeln konnte. Die USA erkannten Kauffmann weiterhin als legalen dänischen Vertreter an. Vor dem Hintergrund seiner Befürchtung, Hitler-Deutschland könne auch Grönland besetzen, verhandelte er im April 1941 einen Vertrag mit der amerikanischen Regierung aus. Die Regierung Stauning-Scavenius war – auch unter dem Druck der deutschen Besatzungsmacht – empört und rief den Gesandten aus Washington ab, doch Kauffmann blieb in den USA.

In der Heimat wurde er des Landesverrats angeklagt, doch nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges wurde der zuvor verhasste Diplomat sogar Minister in der Befreiungs-Regierung. Kaum Zweifel, dass die Dänen es auch Kauffmann zu verdanken haben, dass sie von den Siegermächten trotz der Zusammenarbeits-Politik als Kriegsteilnehmer auf der richtigen Seite anerkannt wurden. Am 5. Mai 1945 galt der dänische Freiheits-Jubel zwar den Briten und Montgomery, doch in einflussreichen dänischen Kreisen – besonders in der Sozialdemokratie – hatte sich längst die Erkenntnis durchgesetzt, dass die britische Weltmacht nun von den USA abgelöst werden würde.

Kräfte im dänischen Geheimdienst etablierten mit den Amerikanern sogenannte „Stay-behind-Gruppen“, die im Falle einer sowjetischen Besetzung oder eines kommunistischen Putsches hinter den feindlichen Linien Widerstand leisten sollten. 1951 wurde die Kauffmann-Absprache erneuert: mit der Errichtung der noch heute bestehenden Thule-Base.  Den Amerikanern wurden auf der Insel militärisch fast unbegrenzte Rechte zugebilligt. Als sich die Ratifizierung der Bonn-Kopenhagener Minderheitenerklärungen 1955 verzögerten, da drängten die Amerikaner laut Historiker Troels Fink auf eine rasche Annahme durch das Folketing. Grönland wurde für beide Seiten zur strategischen Waffe, und obwohl die dänische Regierung offiziell Atomwaffen auf dänischem Boden strikt verbot, ist später bekannt geworden, dass der damalige sozialdemokratische  Staatsminister H. C. Hansen den Amerikanern insgeheim grünes Licht gab – auch für A-Waffen.

1968 stürzte eine B-52 mit vier an Bord befindlichen (Wasserstoff-)Brintbomben ins Eismeer, doch leugneten Kopenhagen und Washington, dass es sich um Atomwaffen gehandelt habe. Im Kalten Krieg war Grönland für die strategische Raketenabwehr der USA von lebenswichtiger Bedeutung. Der frühere Außenminister Uffe Ellemann-Jensen hat später erklärt, dass die bürgerliche Regierung, die durch die sogenannte Fußnoten-Politik der Opposition sogar die dänische Nato-Mitgliedschaft gefährdet sah, die kritischen Amerikaner stets mit dem Hinweis auf Grönland zu beruhigen wusste.

Die Tatsache, dass der Kalte Krieg nun zurückgekehrt ist – am Freitag durch die Aufkündigung des INF-Vertrages –, bedeutet, dass Grönland für die Amerikaner wieder strategisch enorm an Bedeutung gewinnt, zumal auch der Klimawandel neue sicherheitspolitische Herausforderungen bringt, die auch Dänemark mit Sorgen erfüllen. Russlands atomare  Aufrüstung in der Arktis und das chinesische Interesse nicht nur für grönländische Rohstoffe werden Themen sein, die Präsident Trump mit Staatsministerin Mette Frederiksen erörtern wird. Dass Frederiksen zu diesen Gesprächen auch die regionalen Regierungschefs von Grönland und den Färöern eingeladen hat,  ist innenpolitisch ein kluger Schachzug im Hinblick auf den Erhalt der Reichsgemeinschaft, aber auch um die Karte Grönland gegenüber Trump richtig spielen zu können.

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