Leitartikel

Keine leichten Lösungen

Keine leichten Lösungen

Keine leichten Lösungen

Apenrade/Aabenraa
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Grenzhandel
Trotz Corona-Restriktionen und Einschränkungen ist die Nachfrage explodiert (Beispielfoto). Foto: Karin Riggelsen

Billig-Grenzhandel in Nordschleswig? Das klingt zu einfach, um funktionieren zu können, meint Chefredakteur Gwyn Nissen. Außerdem sei der Grenzhandel durchaus auch ein dänisches Geschäft. Eine neue Handelsgrenze – sie würde das Problem nur verschieben, meint er – und sieht die Lösung in den Köpfen der Dänen.

Eine Grenzhandelszone auf nordschleswigscher Seite soll den Handel von der deutschen Seite der Grenze zurück nach Dänemark bringen. Vier Milliarden Kronen legen die Dänen jährlich in den Grenzhandel. Zu viel, meinen Geschäftsleute und Politiker. Aber eine Lösung gibt es anscheinend nicht.
 
Immer wieder tauchen in der jahrzehntelangen Debatte mehr oder weniger durchdachte Vorschläge auf. Diese Woche meinte Dansk-Supermarked-Chef Per Bank, die Lösung gefunden zu haben: In einer zwei Kilometer langen Grenzhandelszone nördlich der Grenze sollten Waren in Dänemark zum selben Preis verkauft werden können wie heute südlich der Grenze. Dadurch würden Handel und Staat nördlich der Grenze profitieren, meint Bank.
 
Aber es gibt keine leichten Lösungen im Grenzhandel – den es übrigens auch umgekehrt in Nordjütland und auf Seeland gibt, wo Norweger und Schweden unter anderem „billigen“ dänischen Alkohol kaufen. Es ist also keineswegs so, dass die Preisunterschiede über die Grenze hinweg nur negative Folgen für die dänische Wirtschaft haben. Viele Mitarbeiter kommen außerdem aus Dänemark,  ein Großteil des Umsatzes findet in dänischen Unternehmen statt, und auch viele der gekauften Produkte werden in Dänemark produziert. Diese Rechnung fehlt oftmals, wenn man das Ausmaß des Grenzhandels berechnet.
 
Außerdem würde eine neue Handelsgrenze das Problem nur verschieben, denn die Läden in Pattburg oder Krusau hätten dann den Vorteil gegenüber Geschäften in Apenrade, Tingleff oder Tondern. Aber das Geld bliebe natürlich im Lande (nur das von Rema 1000 nicht – das Unternehmen ist nämlich aus Norwegen – und was ist, wenn Aldi und Lidl sich dann in Grenznähe ansiedeln?)
Der zweite Vorschlag, der in der Debatte auftaucht ist, die Steuern und Abgaben auf typische Grenzhandelsware zu erleichtern: Schnaps, Bier, Sprudel und Süßigkeiten. Das wiederum hat einen negativen Effekt auf die Gesundheit der Dänen. Ein Teufelskreis also.
 
Und drittens: die Einführung von Dosenpfand auf Bier und Sprudel aus dem Grenzhandel. Auch ein langjähriges, juristisches Hin und Her, das aber kaum die Lösung für den dänischen Handel sein wird.
 
Der Grenzhandel ist ein kompliziertes Konstrukt, aus dem man nicht ein Element rausnehmen kann, um den Grenzhandel zum Erliegen zu bringen: Zunächst gibt es einen Unterschied in der Mehrwertsteuer nördlich und südlich der Grenze, dann sind die Gehälter südlich der Grenze geringer als für die Geschäfte in Dänemark, und man darf auch nicht den Ausflugseffekt unterschätzen.
 
Schließlich kommt noch hinzu, dass Fleggaard und Co. südlich der Grenze mit großer Tüchtigkeit ein Geschäft aufgebaut haben, das sie sich  nicht einfach wieder nehmen lassen werden. Ob Dosenpfand oder andere halbherzige Abgabensenkungen: Die Grenzhandelsunternehmen werden neue Antworten parat haben und natürlich kontern.
 
Bleibt am Ende eigentlich nur noch eins: Man kann versuchen, den Dänen zu erklären, welche negativen Effekte es für Dänemark hat, dass südlich der Grenze vier Milliarden Kronen ausgegeben werden. Das muss dann jeder für sich entscheiden. Oder man akzeptiert, dass das nördliche Schleswig-Holstein ein Teil des dänischen Handelsraums ist. Mit den erwähnten Vor- und Nachteilen.

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