Leitartikel

„Keine Regel ohne Ausnahme“

Keine Regel ohne Ausnahme

Keine Regel ohne Ausnahme

Nordschleswig/Sønderjylland
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Die zweite Corona-Welle rollt über Dänemark und Deutschland. Um die Lage in den Griff zu bekommen, gibt es erneut verschärfte Maßnahmen und neue Einreiseregeln. Doch etwas ist anders als im Frühjahr, findet Journalistin Kerrin Jens.

Seit Sonntag ist die Verwirrung komplett. Deutschland erklärt Dänemark zum Risikogebiet. Bereits einige Wochen zuvor deklarierte Dänemark Deutschland als Quarantäneland mit der Ausnahme von Schleswig-Holstein. Diese Sonderregelung, in die das Grenzland große Hoffnung gesetzt hatte, hielt genau eine Woche, dann war in Schleswig-Holstein auch der kritische Inzidenzwert von 30 überschritten.

Schleswig-Holsteiner mussten sich darauf einstellen, dass sie nur mit einem triftigen Grund oder einem negativen Corona-Test nach Dänemark einreisen dürfen. Andersherum raten die dänischen Behörden bereits seit dem 29. Oktober von allen nicht notwendigen Reisen nach Schleswig-Holstein ab und empfehlen bei der Rückreise eine Quarantäne.

Die dänischen Reiseempfehlungen sind Richtlinien, keine Gesetze. Das macht die Lage auf den ersten Blick noch unübersichtlicher. Vonseiten der Politik fehlt oftmals eine scharfe Trennlinie zwischen Pflicht und Empfehlung.

Bei der Einreise nach Dänemark werden Stichprobenkontrollen durchgeführt. Das wichtigste: Die kleinen Grenzübergänge bleiben diesmal geöffnet. Bei der Einreise nach Deutschland wird überhaupt nicht kontrolliert. Was auf der einen Seite für das Grenzland spricht, auf der anderen Seite auch zum Umgehen mancher Regeln führen könnte.

Als Deutschland Dänemark am vergangenen Sonntag zum Risikogebiet erklärt und eine Quarantänepflicht für Reisende aus Dänemark verordnet, bleiben viele Fragen offen. Darf ich in Niebüll zum Arzt gehen, wenn ich in Tondern wohne? Darf ich über die Grenze fahren und meinen Partner in Kiel besuchen? Darf ich in Flensburg einkaufen gehen?

Fragen, über die sich zunächst keiner in der Regierung Gedanken gemacht zu haben scheint; doch dann steht nach Ausarbeitung und intensiver Durchforstung der „Ersatzverkündung der Landesverordnung zu Quarantänemaßnahmen für Ein- und Rückreisende zur Bekämpfung des Coronavirus des Landes Schleswig-Holstein“ fest: Es gibt Ausnahmen!

Diese Ausnahmen sind fein säuberlich in verschiedenen Paragrafen und langen Texten versteckt, aber es gibt sie.

So dürfen Personen aus Nordschleswig tägliche Besorgungen oder Arztbesuche in Schleswig-Holstein wahrnehmen, ohne in Quarantäne zu müssen, wenn sie nicht länger als 24 Stunden bleiben. Auch Partnerbesuche sind ohne Quarantäne erlaubt, wenn 72 Stunden nicht überschritten werden.

Die Ausnahmen machen die Regeln komplizierter, doch es ist wichtig, dass genau diese Ausnahmen für das Grenzland gemacht werden. Allerdings kann nicht jeder Einzelfall bedacht werden, dafür ist es umso wichtiger, dass die Behörden Regeln klar und transparent darstellen, erreichbar sind und diese Fälle schnell geklärt werden können.

Doch das ist längst nicht immer der Fall. Seit einer Woche versucht „Der Nordschleswiger“ bei den dänischen Behörden herauszufinden, was für Schleswig-Holsteiner gilt, die ihre Pferde in Nordschleswig stehen haben – bislang kam noch keine Antwort. Auch als Deutschland Dänemark zum Risikogebiet erklärte, stand am Wochenende niemand bei der schleswig-holsteinischen Landesregierung für Fragen zur Verfügung.

Es scheint, als wollten die Politiker in Kopenhagen und Kiel mit den Ausnahmen für das Grenzland dieses Mal einiges besser machen als im Frühjahr. In Anbetracht der steigenden Corona-Zahlen und einer Virus-Mutation bei Nerzen, die die Wirkung eines kommenden Impfstoffs bedroht, hätte Deutschland – wie etwa Großbritannien – die Grenze zu Dänemark erneut ganz dicht machen können.

Hat Deutschland aber zum Glück für das Grenzland nicht. Es bleibt zu hoffen, dass es weiterhin Ausnahmen gibt, damit die Grenzregion kein zweites Mal getrennt wird. Etwas mehr Klarheit darüber, welche Regeln genau beim Ein- und Ausreiseverkehr gelten, was Empfehlungen und was Vorschriften sind, wäre aber wünschenswert.

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