Leitartikel

„Kleiner und großer Klaus “

„Kleiner und großer Klaus “

„Kleiner und großer Klaus “

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Apenrade/Aabenraa
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Klaus Riskær habe wohl „Fußfehler“ begangen, so seine fast tennishaft-klingende Entschuldigung, die jedoch jedes moralische Bedauern über die Opfer auf seinem Weg bis heute vermissen lässt. Aber Klaus Riskær ist nicht jemand, der sich durch einen Aufenthalt hinter Gittern aus der Bahn schlagen lässt, meint Siegfried Matlok.

In der dänischen Politik gibt es eine Partei für jeden Geschmack – sogar für den schlechten. Nun wird die dänische Politik aber vor eine Gedulds- und vor allem Geschmacksprobe besonderer Art gestellt. Sogar historisch einmalig, denn erstmalig wird kein Parteiname bei der kommenden Folketingswahl auf dem Stimmzettel stehen, sondern nur ein Name – der des  Parteigründers  Klaus Riskær Pedersen. Er sieht sich als Protest gegen die etablierten Parteien, betrachtet sich nicht als Partei, sondern als Bewegung und glaubt, ähnlich wie Frankreichs Präsident Macron das bisherige System aus den Angeln heben zu können, will aber mit seinem „rot-konservativen Konzept“, wie er es formuliert, dennoch zunächst Lars Løkke als bürgerlichen Staatsminister unterstützen.

Klaus Riskær ist alles andere als unbegabt, deshalb auch nicht zu unterschätzen. Als Wunderkind an den Börsen machte er früh von sich reden. Die Alt-Wirtschaft rümpfte von Anfang an die Nase über diesen Aufsteiger am Kopenhagener Jet-Set-Himmel, der seine Ideen und nicht zuletzt seine Gewinne gerne  auch medial an die große Glocke hängte. Parteipolitisch war er –  wie noch heute – ein Liberaler, aber als er mit seinen dubiosen Geschäftsmodellen eigene Venstre-Mitglieder über den Tisch zog, zerschnitt Venstre das Band zu diesem sensationellen Emporkömmling in den eigenen Politiker-Reihen. Schluss mit lustig, als die Justiz ihn unter die Lupe nahm und seine kreativen Geschäfte mit Durchfahrt in die eigene Tasche untersuchte. Insgesamt ist er – wenn man ein Urteil in Frankreich hinzuzieht – zu fast zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden, Strafen, die er verbüßt hat.

Er habe wohl „Fußfehler“ begangen, so seine fast tennishaft-klingende Entschuldigung, die jedoch jedes moralische Bedauern über die Opfer auf seinem Weg bis heute vermissen lässt. Aber Klaus Riskær ist nicht jemand, der sich durch einen (Studien-) Aufenthalt hinter Gittern aus der Bahn schlagen lässt. Ein politisches Comeback bei Venstre war natürlich nicht möglich, seitdem versuchte er sowohl bei den Alternativen als auch zuletzt sogar als angeblich reuiger Sünder bei den Christlichen wieder Fuß zu fassen. Das misslang, und nun hat er wieder eine Idee, die natürlich nur ein Programm hat: Klaus Riskær. Die erforderlichen Unterschriften für seine Teilnahme sind erbracht, und selbst ein Mann mit dieser Vergangenheit hat jenseits von Fragen der Moral auch seine zweite Chance verdient. Man darf – ohne Vergleich übrigens – darauf hinweisen, dass der damalige Gründer der Fortschrittspartei, der Steueradvokat Mogens Glistrup von 1983 bis 1990 dem Folketing angehörte – allerdings unterbrochen von einem dreijährigen Gefängnisaufenthalt in Horserød. Parallelen gibt es insofern, da beide wegen Schwindels und Steuerbetrugs  verurteilt wurden und sich beide unschuldig als „Systemopfer“ verfolgt fühlten.

Wenn man einmal von Hans Schmidt-Oxbüll absieht, der 1953 als Vertreter der deutschen Minderheit, aber noch ohne die Parteibezeichnung Schleswigsche Partei, ins Folketing gewählt wurde, so ist dem Komiker,   Künstler Jacob Haugaard, der seinen Wählern in Aarhus u. a. frischen Rückenwind auf den Fahrradwegen versprach,  bisher als einzigem Einzelgänger der Sprung ins Folketing gelungen. Riskær, der auch landesweit andere kandidieren lässt, um so die Zwei-Prozent-Sperrklausel zu knacken, ist zuzutrauen, dass er selbst im Großraum Kopenhagen ein Kreismandat gewinnen kann.

Es gibt in oberen Gesellschaftsschichten durchaus ein Wähler-Potenzial für einen Anti-System-Gegner. Wähler, die die etablierten Parteien als verkrustet empfinden und die Riskær als „enfant terrible“, ja als Hoffnung sehen, für frischen Wind auf Christiansborg zu sorgen, und der vor allem auf weniger Staat und Regulierung setzt. Insofern ist die Wiederholung der sogenannten Umbruchswahlen von 1973 nicht auszuschließen, als Glistrup mit FRP  und Erhard Jakobsen mit den Zentrums-Demokraten das klassische Parteiengefüge sprengten und die parlamentarische Stabilität verloren zu gehen drohte. Wenn zwölf Parteien/Listen jetzt an der kommenden Folketingswahl teilnehmen, wobei auch „Ny Borgerlige“ mit Pernille Vermund Chancen rechts von DF eingeräumt werden, dann kann man sich durchaus vorstellen, dass die Regierungsbildung diesmal viel, viel  schwieriger wird als früher. Die Königin wird sich auf Überstunden einstellen müssen!

H. C. Andersen schrieb 1835 das Märchen „Lille Claus og Store Claus“ – in der deutschen Übersetzung Claus jedoch mit K. Wer die Geschichte noch mal liest, wird erkennen, dass der kleine Klaus klüger ist als der große Klaus, denn am Ende geht der große Klaus wegen seiner Gierigkeit buchstäblich unter. Spannend, wie das Märchen mit dem „großen“ Klaus Riskær in Wirklichkeit ausgehen wird!

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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