Leitartikel

„Mein Feind, der Baum“

„Mein Feind, der Baum“

„Mein Feind, der Baum“

Apenrade/Aabenraa
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Dänemark ist bereits das mit weitem Abstand naturärmste Land in der Europäischen Union. Weite Landwirtschaftsflächen und die fantastischen Küstenlinien täuschen da gerne drüber hinweg.
Es wäre doch schade, wenn wir das, was wir noch an „Wildnis“ haben, nun auch noch der Wirtschaftlichkeit opfern, meint Cornelius von Tiedemann.

Ach, was sind wir alle grün. Nicht. Jedenfalls nicht, wenn es um unsere Städte und Dörfer geht. So zumindest der subjektive Eindruck, den ich habe – und den mir viele Kollegen und Bekannte vermitteln. Die Natur ist in Dänemark auf dem Rückzug. Immer mehr Fläche wird versiegelt, immer mehr wildes Grün beseitigt.

Klar, damit Grünes gedeihen kann, ist es manchmal auch nötig, es zurückzuschneiden, von schädlichem Wildwuchs zu befreien, der Licht und Wasser stielt. Doch es ist schon ein bemerkenswerter Kahlschlag, der um sich greift. Auch in  Deutschland schaffen  immer mehr Kommunen die Baumschutzsatzungen ab, die in den meisten Fällen Ersatzpflanzungen vorsehen.

Kaum ein Trost, dass in Dänemark jetzt groß angekündigt wurde, dass 500.000 „Lebensbäume“ in den Forsten im Lande geschützt werden sollen.

Denn aus der Übersichtskarte der Behörde geht     das eigentliche Problem dieser halbherzigen Initiative hervor: Sämtliche Bäume, die als „Lebensbäume“ vorgeschlagen wurden, die nicht in einem Wald der Naturbehörde stehen, wurden abgelehnt. Weil sie nicht in einem Wald der Naturbehörde stehen.
In Gravenstein, bei Blans, Gjenner und Jordkirch oder Reinbek: überall Ablehnungen für Bäume, die einfach nur so herumstehen, ohne Teil eines staatlich gewollten Waldgebietes zu sein.
Heißt leider auch für das besonders waldarme Nordschleswig:  Außerhalb der bestehenden Forste und Schutzgebiete kann es weiter Kahlschlag geben, wo früher der Natur auch mal ihr Lauf gelassen wurde.

Und allerorten wird zugleich „aufgeräumt“. Bei uns im Ort hat die Kirche eine grüne, mit Bäumen, Büschen und einem bunten Vogel- und Kleintierleben gesegnete Hangfläche von rund 2.000 Quadratmetern einfach kahlrasiert und stattdessen Rasen und eine Handvoll wohlsortierter Bäumchen und Hecken gepflanzt, die stets penibel zurechtgestutzt werden.

Warum? Muss denn alles immer seine (unsere) Ordnung haben? Zum Glück gibt es in diesem schönen Land fast überall „das rettende Ufer“, das geschützt ist, wie wohl nirgends sonst.
Das kann nervig sein, wenn man an der Küste lebt und sein Haus umbauen oder nur eine Gartenbank aufstellen will und dafür einen langwierigen Genehmigungsprozess über sich ergehen lassen muss. Es schützt uns aber auch davor, zu gierig zu werden und an den Küsten Fehler zu machen, die wir nicht wieder reparieren können.

Schade, dass die Regierung jetzt 91 neue „Entwicklungsgebiete“ an den dänischen Küsten ausweisen will. Für die wirtschaftliche Nutzung. 22 von ihnen liegen im Bereich der „Grünen Dänemarkkarte“, mit der eigentlich zusammenhängende Naturgebiete besonders geschützt werden sollen.

Die Wirtschaftsbehörde verbietet so etwas eigentlich. Doch das übergeordnete Ministerium unter Rasmus Jarlov (Kons.) will es Kommunen erlauben, Gebiete aus der grünen Karte einfach streichen zu lassen. Und das, obwohl die Konservativen sich noch 2015 dagegen gewehrt haben, die Gesetze zur grünen Dänemarkkarte auszuhöhlen.

Hoffnung, dass Jarlov sich darauf – und auf die Farbe, die auch sein Parteilogo ziert, besinnen wird, besteht leider kaum. Aber ob die parlamentarische Mehrheit hinter ihm steht, ist immerhin fraglich.

Dänemark ist bereits das mit weitem Abstand naturärmste Land in der Europäischen Union. Weite Landwirtschaftsflächen und die fantastischen Küstenlinien täuschen da gerne drüber hinweg.
Es wäre doch schade, wenn wir das, was wir noch an „Wildnis“ haben, nun auch noch der Wirtschaftlichkeit opfern – und somit das große Kapital der landschaftlichen Schönheit und Vielfalt der Schöpfung verspielen.

Und ja: Es ist toll, dass in Dänemark neue Wälder entstehen. 200 Hektar jedes Jahr. Aber warum wird die Natur „mitten unter uns“ nicht mehr wertgeschätzt?

In der Minderheit geht die SP mit ihren Baumpflanzaktionen voran. Und ich ziehe nach und besorge mir gleich morgen noch einen nagelneuen Baum für unseren Garten. Stichwort Glaubwürdigkeit.

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