Leitartikel

„Minderheit und Kommunalpolitik trennen“

Minderheit und Kommunalpolitik trennen

Minderheit und Kommunalpolitik trennen

Nordschleswig/Sønderjylland
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Die deutsche Minderheit in Nordschleswig könne keine Forderungen stellen, nur weil sie eine Minderheit ist, meinte Haderslebens Bürgermeister Hans Peter Geil beim Deutschen Tag. Doch, kann sie, meint Chefredakteur Gwyn Nissen und verweist auf drei wichtige Schriftstücke.

Die Inhalte der Reden beim Deutschen Tag vorauszusagen war nun wahrlich keine Meisterleistung. Es gab die erwarteten Streicheleinheiten von Politikern nördlich und südlich der Grenze, und so richtig wollte niemand vor den vielen Gästen in der Sporthalle in Tingleff die deutsche Minderheit in Nordschleswig provozieren.

Einer tat es dann doch. Unabsichtlich und ohne zu wissen, dass seine Worte nicht nur eine Provokation sind, sondern auch ein demokratisches Problem im Grenzland darstellen.

Haderslebens Bürgermeister Hans Peter Geil zeigte sich in seinem Grußwort zwar stolz auf die deutsche Minderheit im Landesteil, aber er hatte auch einen guten Rat (das war vielleicht schon als Provokation gemeint): Als kleine Partei müsse die Partei der deutschen Minderheit, die Schleswigsche Partei, immer weitere Bündnispartner finden, um Ideen oder Wünsche durchzusetzen. Bei Problemen könne die Minderheit, aber immer bei ihm anklopfen und über eine Tasse Kaffee eine Lösung finden, lautete Geils Angebot. Es ginge aber nicht, so der Bürgermeister, dass die Minderheit Forderungen stelle, nur weil sie Minderheit ist.

Doch genau das hat der Haderslebener Bürgermeister nicht verstanden. Wir nennen an dieser Stelle die Bonn-Kopenhagener Erklärungen, das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten in Europa und die Europäische Sprachencharta. Diese drei Schriftstücke geben der deutschen Minderheit in Nordschleswig Rechte sowie moralische Ansprüche, stellen aber auch Forderungen an Staat und Kommunen. Forderungen, die Dänemark selbst ratifiziert und beschlossen hat. Nun müssten diese nur umgesetzt werden.

Das Problem in den nordschleswigschen Kommunen ist, dass Politiker der Mehrheitsparteien manchmal nicht trennen können, was Kommunalpolitik und was Minderheitenfragen sind. Viele betrachten die Vertreter der Schleswigschen Partei als die Minderheit schlechthin, doch obwohl sich die SP-Politiker für die Belange der Minderheit einsetzen, sind sie gleichzeitig auch für alle Bürger in der Kommune da. Dadurch entstehen immer wieder Situationen, in denen sich die SP und andere Parteien uneinig sind. Und das wiederum stellt ein Problem dar, wenn es dann um Minderheiten-Angelegenheiten geht.

Die deutsche Minderheit – die einzige nationale Minderheit Dänemarks – kann also sehr wohl auf Rechte und Wünsche pochen, eben weil sie eine Minderheit ist. Das gilt es von der Kommunalpolitik zu trennen.

Hans Peter Geil hat durch seine Aussagen aber immerhin die Tür weit aufgestoßen. Den Kaffee sollten Vertreter der deutschen Minderheit daher so schnell wie möglich annehmen. Mal sehen was alles geht im Büro von Hans Peter Geil – und vielleicht lädt er gleich die anderen nordschleswigschen Bürgermeister mit dazu.

 

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