Leitartikel

„Nachhilfeunterricht“

Nachhilfeunterricht

Nachhilfeunterricht

Nordschleswig/Synnejyllan
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Der Vorschlag eines Politikers, „Synnejysk“ und unseren Landesteil im Schulunterricht mehr einzubinden, ist gar nicht so verkehrt, meint Chefredakteur Gwyn Nissen.

Corona hin oder her: Das geschichtsträchtige Jahr 2020 hat Nordschleswig viel Aufmerksamkeit geschenkt. In ganz Dänemark sind Jung und Alt in die besondere Geschichte des Landesteils eingeweiht worden, und im Sommer hatte der südlichste Teil des Landes seinen Anteil am Touristenansturm.

In der Abendschule sollen nun sogar die nordschleswigsche Kultur und der Dialekt „Synnejysk/Sønderjysk“ gelehrt werden, und in Hadersleben möchte ein Politiker sogar, dass an den Schulen sowohl über die besondere nordschleswigsche Kultur als auch über Traditionen und Sprache gelehrt werden soll.

Keine Frage: Die Nordschleswiger sind auf ihr Sønderjylland/Nordschleswig stolz. So sehr, dass sie „Synnejysk“ eben nicht nur als Dialekt bezeichnen, sondern æ Sproch – die Sprache. Fast so, als ob Nordschleswig ein eigenständiges Land wäre.

Der Vorschlag von Bent Kloster (V), Vorsitzender des Landdistriktsausschusses der Kommune Hadersleben – und früher Berater beim LHN, des Landwirtschaftsverbandes der deutschen Minderheit –, Sønderjysk in den Stundenplan zu packen, ist gar nicht so verkehrt.

Kultur, Traditionen und Sprache müssen gepflegt werden. Das geschieht in Familien, in Vereinen und unter Freunden, doch oft geht Generation für Generation etwas dieser Erinnerungskultur verloren. Die Welt verändert sich und die nordschleswigsche Kultur mit.

Schulen soll Sønderjysk jetzt nicht aufgedrängt werden, aber eine gewisse Aufmerksamkeit darauf, dass diese Kultur, Traditionen und Sprache für den Landesteil von großer Bedeutung sind, schadet nicht. Es ist eben nicht selbstverständlich, dass im Unterricht über die besondere Kultur oder die traditionellen Gerichte der nordschleswigschen Küche gelehrt wird. Genauso wenig wie es in den Schulen der deutschen Minderheit selbstverständlich gewesen ist, die Schüler und Schülerinnen über Kultur, Traditionen und Geschichte der Minderheit zu unterrichten. Das hängt immer vom einzelnen Lehrer ab.

Wenn es aber für uns wichtig ist, dass kommende Generationen etwas über die Minderheit oder Nordschleswig und unsere Traditionen erfahren, dann gehört dazu auch mehr als nur Zufall und einzelne Lehrer, die dafür brennen. Dann gehört es ins Bewusstsein der Schulen.

Aus genau diesem Grund beschäftigen sich die deutschen Schulen in Nordschleswig seit geraumer Zeit mit der eigenen Minderheit und Identität. Dazu trägt das neue Deutsche Museum Nordschleswig in Sonderburg bei. An den Schulen werden außerdem Früh-Botschafter ausgebildet, deren Aufgabe es ist, mit den etwas älteren Schüler-Botschaftern, mit Kindern und Jugendlichen über die Themen zu reden, die uns als Minderheit und Nordschleswiger ausmachen.

Der Fokus auf dem Identitätsbewusstsein unserer Jugendlichen – und dazu gehören „Synnejysk“ und Sønderjylland/Nordschleswig – ist ein wichtiger Eckpfeiler der zukünftigen Minderheiten-Arbeit: Verstehen, wo man herkommt und wer man ist. Verstehen, was es heißt Deutscher in Nordschleswig zu sein und was uns vereint.  

Früher musste sich jeder von uns allein darüber Gedanken machen, und in Zeiten, in denen es noch schwieriger war, Deutsche(r) in Dänemark zu sein, wählten einige den bequemeren Weg und kehrten der Minderheit den Rücken.

Steh dazu, lautete einmal die Devise der jungen SPitzen, der Jugendabteilung der Schleswigschen Partei in Nordschleswig. Steh dazu, dass du Deutsch-Nordschleswiger oder auch dänischer Sønderjyde bist.

Aber um das zu tun, müssen kommende Generationen auch verstehen, wozu sie stehen sollen und worauf sie stolz sein können, zum Beispiel auf die eigene „Sprache“. Die deutschen Schulen in Nordschleswig haben vorgelegt, und der Deutsche Schul- und Sprachverein der Minderheit räumt „Synnejysk“ neben Deutsch sogar einen besonderen Stellenwert ein.      

Da ist ein wenig „Synnejysk“-Nachhilfe-Unterricht in den dänischen Schulen gar nicht so abwegig.

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