Leitartikel

„Die Radio-Märtyrer“

Die Radio-Märtyrer

Die Radio-Märtyrer

Nordschleswig
Zuletzt aktualisiert um:

Radio24Syv ist der ganz große Verlierer in der dänischen Medien-Posse. Aber die erfolgreichen Radiomacher haben es zum Teil auch sich selbst zu verdanken. Sie wollten lieber als Märtyrer sterben, als ihren Arbeitsplatz retten, meint Chefredakteur Gwyn Nissen.

Der erfolgreiche Radiosender Radio24Syv wird nächste Woche eingestellt. Nach acht Jahren ist endgültig Schluss, was schade ist, denn der Sender hat den dänischen Radiomarkt revolutioniert und die Konkurrenz des bisher einzigen Talk-Radios, P1 von Danmarks Radio, wachgerüttelt. Aber die Macher von Radio24Syv wollten lieber als Märtyrer sterben, als ihren Sender retten, und als ihnen ein Rettungsring zugeworfen wurde, griffen sie daneben.

Die Mitarbeiter von Radio24Syv sehen sich heute vor allem als politische Opfer. Damit haben sie gar nicht so unrecht, denn als die neue Konzession für das FM4-Band im Frühling 2019 ausgeschrieben wurde, waren die Forderungen von politischer Seite geändert worden: Der Hauptsitz sollte 110 Kilometer westlich von Kopenhagen liegen, und die Finanzen wurden um 33 Prozent reduziert. Radio24Syv sah das – berechtigt oder nicht – vor allem als Kritik von der rechten Seite des Folketings sowie von Provinz-Politikern, denen der Sender zu Kopenhagen-lastig war – und zu kritisch.

Unter diesen Vorgaben wollte 24Syv nicht weitermachen, was allein die Entscheidung des Senders ist. Radio24Syv könne nur aus Kopenhagen gemacht werden, so die Radiochefs. Es ist also nicht die Rede davon, dass die bösen bürgerlichen Politiker den Radiosender abgedreht haben, sondern es war bereits eine Voraussetzung bei der Verteilung der Konzession, dass sie nach acht Jahren neu ausgeschrieben werden würde. Radio24Syv hat beschlossen, keinen Antrag zu stellen – niemand anders hat das zu verantworten.

Stattdessen zeigten sich die Medienhäuser in der Provinz an der Aufgabe (zu den genannten Konditionen) interessiert und bekamen als Radio4 den Zuschlag – unter anderem mit Jysk-Fynske Medier und „Flensborg Avis" als Mit-Eigentümer sowie dem „Nordschleswiger" als Partner.

Was danach geschah, war eine mittlere medienpolitische Katastrophe. Angeführt von der „bösen rechten" Dänischen Volkspartei (DF), wurde nun eine viertel Milliarde Kronen für einen digitalen Radiosender für Radio24Syv lockergemacht. Dass dadurch drei Talk-Radios entstehen und die Voraussetzungen für Radio4 sich wesentlich änderten (Radio24Syv würde viele Leser „mitnehmen"), scheint die Politik weniger zu kümmern.

Doch aus dem geplanten Rettungsring für Radio24Syv wurde nichts. Stattdessen erhielt der neue Jugendsender Loud den Zuschlag. Überraschend, aber nachvollziehbar, dass sich der Radiorat von der jugendlichen Ausrichtung hat überzeugen lassen.

Ungläubigkeit hingegen in der Radio24Syv-Gemeinde, die immer noch nicht verstanden hat, dass die eigene Führung zu hoch gepokert hat, statt einen guten Radiosender zu retten. Radio24Syv wird positiv in die dänische Mediengeschichte eingehen, die Chefs sollten dagegen schnellstens von ihrem hohen Ross herunterkommen, denn auch wenn sie bei den Anhängern als Märtyrer dastehen – in Wirklichkeit haben sie es von Anfang an vermasselt, schieben aber allen anderen die Schuld zu.

Mehr lesen

Leserbrief

Meinung
Allan Søgaard-Andersen
„Bekymret for det ekstreme højre“

Diese Woche In Kopenhagen

Walter Turnowsky ist unser Korrespondent in Kopenhagen
Walter Turnowsky Korrespondent in Kopenhagen
„Hurra, der Kindersegen ist ausgeblieben!“