Gastkommentar

„Rest der Republik“

Rest der Republik

Rest der Republik

Burkhard Ewert/noz.de
Apenrade/Aabenraa
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Ein Gastkommentar von Burkhard Ewert, Chefredakteur für Politik & Gesellschaft von NOZ Medien und Medienholding Nord, zur Kritik am Rollenbild im Film „Tatsächlich... Liebe“.

Lieber Herr Mustermann,

ich kenne nicht viele herzerwärmendere Filme als „Tatsächlich... Liebe”, eine britische Vorweihnachtskomödie mit Hugh Grant, Keira Knightley, Emma Thompson, Alan Rickman und vielen weiteren Stars. 

Falls Sie den Film noch nie gesehen haben, empfehle ich Ihnen sehr, das zu ändern. Viele Leute gucken ihn als kleines Ritual jährlich in der Weihnachtszeit, ähnlich wie „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel” oder „Der kleine Lord“.

Der Episodenfilm steckt, der Name sagt es, voller Liebe. Liebe zwischen jungen und alten Paaren, zwischen Freunden, zwischen Geschwistern, zwischen Kindern und Eltern, er steckt auch voller unerfüllter Liebe, verbotener Liebe sowie heimlicher Liebe.

Darüber hinaus handelt der Film auf einer anderen Ebene von der Liebe zum Menschen allgemein. Mich berührt der Film jedenfalls wegen seiner Menschenfreundlichkeit, und weil er so lebensnah darstellt, wie sehr sich jeder Mensch nach Liebe sehnt, sie sucht und sie auch gibt, während zugleich jeder Mensch seine Fehler und Marotten hat, verletzt wird und auch selbst verletzt. 

Der Film verfügt über weitere Höhepunkte, etwa als Hugh Grant als britischer Premierminister leidenschaftlich über die Liebe zu seinem Land spricht („eine Großmacht mögen wir nicht sein“) und den US-Präsidenten wegen dessen Übergriffigkeit in die Schranken weist. 

Wunderschön sind auch die Flughafenszenen mit Abschieden und Begrüßungen zu Beginn und am Ende des Films sowie der zutreffende Hinweis, dass es unter den Handy-Anrufen aus den Flugzeugen, die 2001 ins World Trade Center flogen beziehungsweise ins Pentagon und auf ein Feld stürzten, keine Botschaften des Hasses gab, sondern nur welche der Liebe. 

Nicht mehr genug Liebe?

Heute, genau 20 Jahren nach dem Erscheinen des Films, ist die Liebe darin nicht mehr jedem genug. Es mangele an queerer Liebe, finden Kritiker. Zudem reduziere sich die Bedeutung der meisten Frauen in dem Film darauf, erobert zu werden. Als handelnde Personen hätten sie keine relevante Bedeutung, und in ihrer Kommunikation ginge es zumeist nur um Männer, während diese parallel ein Land lenken, ein Unternehmen führen oder andere wichtige Dinge verrichten. 

Ich verstehe diese Einwände. Sie sind gar nicht mal verkehrt. Ich respektiere auch jeden, der sich daran stört. Aber ich hätte einen Vorschlag. Es gibt so viele andere Filme. Wer sich an „Tatsächlich... Liebe” tatsächlich reibt, soll ihn bitte einfach nicht so ernst nehmen, zumal Homosexualität mit einer gelassenen Selbstverständlichkeit durchaus vorkommt.

„Und was hält sie – oder er – von dir?“

Der Schauspieler Liam Neeson fragt, als sein Stiefsohn von einem Schwarm in der Schule erzählt: „Und was hält sie – oder er – von dir?“

Auch der alternde Rockstar Billy Mack (Bill Nighy) und sein Manager gestehen sich an Heiligabend eine Art von Liebe zueinander. Unausgesprochen schwingt dabei etwas mit – womöglich handelt es sich um das Bedauern, sich sogar als wilder Musiker dem Zwang von Konventionen unterworfen zu haben und vor lauter halbnackten Frauen in seinem Rockerleben sein Innerstes für die wahre Liebe nicht geöffnet zu haben, nämlich die zu einem Mann.

Der Prime Minister schließlich verliebt sich in Natalie, die wunderschön, aber nicht spindeldürr ist, was merkwürdig oft betont wird. Aber steckt nicht trotzdem eine gute und moderne Botschaft darin, dass ihr Wesen und die strahlenden Augen ihn für sie einzunehmen vermögen und nicht die Figur? Und ist es nicht bemerkenswert, dass Natalie ihre Abende geborgen im liebevollen Kreis der Familie verbringt, während er, der vermeintlich Mächtige, alleine und unsicher bis spät in der Nacht in seinem Büro sitzt? 

Wie gesagt: Wer keinen Sinn dafür hat, die Wärme dieses Films zu erkennen und zu übertragen auf jede andere Form von Beziehung, auf jeden anderen Menschen und auf sein eigenes Leben, der braucht sich nichts vorwerfen zu lassen. Das ist dann eben so und auch in Ordnung. Aber er möge anderen ihre Freude nicht nehmen und keine Probleme sehen, wo keine sind, außer vielleicht bei einem selbst.

Ich wünsche Ihnen schöne Weihnachtstage, und gucken Sie bitte, was immer Sie wollen – solange es Ihr Herz berührt.

Freundliche Grüße

Burkhard Ewert.

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