Leitartikel

„Der rote Spielball“

Der rote Spielball

Der rote Spielball

Nordschleswig/Sønderjylland
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Der 1. Mai lädt zum Diskutieren und zum Nachdenken ein. Dabei gilt es aber, den Ball zu treffen und nicht den Gegner, meint Chefredakteur Gwyn Nissen.

Der 1. Mai, ein Tag, an dem wir gewohnt sind, dass die Stadt von Fahnen rot gefärbt wird. Aber im Corona-Zeitalter ist alles anders. Zum ersten Mal seit 1940 mussten in Dänemark die traditionellen Treffen der Gewerkschaften und Parteien des linken Flügels ausfallen. Der 1. Mai 2020 war daher nur eine blasse Kopie seiner selbst.

Blass aber nur im visuellen Sinne, denn Gewerkschaften und Politiker machten aus der Not eine Tugend, erwiesen sich als kreativ und haben mit ihrer virtuellen Botschaft vielleicht sogar noch mehr Menschen erreicht als sonst im Stadtpark, wo nur die eingefleischten Kameraden anwesend sind.

Ob über soziale Plattformen und Medien, Drive-in-Versammlungen, Garten-Demos – die Kreativität hatte am 1. Mai freien Lauf.

Nicht sonderlich kreativ waren dagegen die automatisierten Reaktionen aus dem bürgerlichen Lager: Die Arbeiterbewegung sei tot, der 1. Mai sei eine überflüssige Kundgebung und so weiter. Ein Venstre-Stadtratsmitglied aus Sonderburg schrieb sogar, das „rote Trinkgelage" sei abgeblasen.

Manche mögen mit den Zielen oder Werten der Arbeiterbewegung uneins sein, doch das abfällige Schlechtreden der politischen Gegner ist respektlos.

Natürlich müssen Arbeiter, Gewerkschaftler und Politiker des linken Flügels damit leben, dass ihre Politik und Denkweise infrage gestellt und diskutiert werden, denn es gibt verschiedene Sichtweisen, was für unsere Gesellschaft gut und richtig ist. Vor allem an einem 1. Mai, wo der rote Flügel massiv auftritt, wollen bürgerlich gerichtete Meinungsmacher den politischen Gegnern nicht die Bühne allein überlassen.

Doch wie die Arbeiterbewegung feiert und sich feiern lässt und wo (bei öffentlichen Kundgebungen), darüber sollen sich andere als die Arbeiter, Gewerkschaftler und rote Politiker selbst keine Gedanken machen. Dafür gelten die gleichen Regeln für die roten Feierlichkeiten: Ob virtuell oder in Wirklichkeit, es geht darum, den Ball zu treffen und nicht den Gegner.

Der 1. Mai ist daher eine gute Gelegenheit, über Demokratie und demokratisches Verhalten nachzudenken: Diskutieren? Gern. Runterreden? Nein danke.

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