Leitartikel

„Schummelei oder Spionage?“

„Schummelei oder Spionage?“

„Schummelei oder Spionage?“

Apenrade/Aabenraa
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Die digitale Aufsicht ist zwar die logische Antwort auf den digitalen Schwindel, aber die Entwickler haben nur ihren Fokus auf ihre Spionagesoftware gehabt und nicht auf die Menschen, meint Chefredakteur Gwyn Nissen.

Spickzettel in der Federtasche. Nach links beim Tischnachbarn abgucken, ob das Ergebnis auch stimmt. Die schwierigen Formeln auf den Arm schreiben. Schüler waren schon immer kreativ, wenn es darum ging, sich bei Prüfungen selbst zu einer besseren Note zu verhelfen.  Einige wenige Schüler, denn die meisten schreiben ihre Prüfungsaufgaben ohne fremde Hilfe.

Mit dem Internet folgen auch neue Möglichkeiten, bei der Prüfung zu schummeln: Google hat die Antwort auf alles, und das Internet ist eine Goldgrube für schnelle Lösungen. Der Hammer: Es gab sogar Leute, die für Geld Aufsätze und Aufgaben noch während der Prüfung geschrieben und sie dann rechtzeitig vor Prüfungsschluss digital beim Schüler abgegeben haben. Innovativ, aber eben Schwindel.

Die „neue“ digitale Welt fordert das Vertrauen der Prüfer heraus, und nun hat das dänische Unterrichtsministerium reagiert: Ab heute müssen die Schüler an den Gymnasien des Landes eine Schummelsoftware installieren. Die digitale Aufsicht  spioniert noch während der Prüfung ständig im Computer der Schüler herum.

Das ist in Ordnung so, werden einige sicherlich denken. Denn wer nicht schummelt, hat auch nichts zu befürchten. Aber wer nicht schwindelt, muss nun damit leben, dass  nicht nur die Prüfung von der digitalen Aufsicht untersucht wird, sondern auch, was sonst noch am Computer abläuft. Hier haben IT-tüchtige Schüler entdeckt, dass das System auch vor und nach der Prüfung   die Schüler-Computer ausspioniert und dass auch private Bilder und Kennwörter abgespeichert werden. Was ist am schlimmsten: die Schummelei oder die Spionage?

Es wird immer Schüler geben, die schummeln, wobei die Anzahl der Fälle in den Gymnasien in den vergangenen Jahren konstant bei 200 bis 250 liegt. Also kein alarmierender Anstieg.

Die digitale Aufsicht ist zwar  die logische Antwort auf den digitalen Schwindel, aber die Entwickler haben nur ihren Fokus auf ihre Spionagesoftware gehabt und nicht auf die Menschen. Auch das ist nämlich eine logische Entwicklung in unserer heutigen Gesellschaft: Das gegenseitige Vertrauen wird von Kontrollen und Generalverdacht abgelöst.

 Schade, denn das Unterrichtsministerium hätte sicherlich  in Zusammenarbeit mit den Schülern eine für beide Seiten akzeptable Kontrolle entwickeln können. Und die aller meisten Schüler hätte man sicherlich auch  für den Fokus auf eine  gesunde Prüfungskultur gewinnen können. Denn, wer beim Examen schwindelt, kommt vielleicht damit durch die Prüfung – aber nicht durchs Leben.

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