Leitartikel

Soziale Ergebnisse gefragt

Soziale Ergebnisse gefragt

Soziale Ergebnisse gefragt

Apenrade/Aabenraa
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Foto: Morten Rasmussen/Ritzau Scanpix

Es wird kein Weg daran vorbeiführen, die zunehmende Schere zwischen Arm und Reich in unserer Gesellschaft zu verkleinern. Und auch die Tendenz, Problembewohner auszugrenzen, wird soziale Belastungen nicht verringern, meint Volker Heesch.

Die Präsentation des Programms „Ein Dänemark ohne Parallelgesellschaft  – keine Ghettos 2030“ mit einem Großaufgebot an Ministerinnen und Ministern ist nach Angaben von Staatsminister Lars Løkke Rasmussen der Auftakt zu einer historischen Initiative, um „Löcher in der Dänemarkkarte“ zu schließen, die  er und seine Regierungspartner in Form  von 22 als „Ghettos“  klassifizierten Wohnvierteln mit einer sozial belasteten Einwohnerschaft, hoher Kriminalitätsrate und vor allem einem hohen Anteil  an Bewohnern ausländischer Herkunft ausgemacht haben.

Das Konzept, Teile der meist  in den 1960er  Jahren errichteten Beton-Bausubstanz der Problemviertel, in der überwiegend  einkommenschwache Menschen leben, die sich  „schönere“  Behausungen z. B.  an Hafenfronten oder  in Villenvierteln nicht leisten können, durch Abriss verschwinden zu lassen, erinnert uns Nordschleswiger an das Konzept, „Schandflecke“ in unseren Dörfern durch Abbruchprämien aus der Welt zu lassen. Allerdings mit dem großen Unterschied, dass Hunderttausende  Bewohner der Plattenbauviertel ein neues Dach über dem Kopf benötigen, wenn ihnen ihre bisherigen Wohnungen nicht mehr zur Verfügung stehen.

Nebenbei angemerkt schmerzt prinzipiell die Benutzung des Begriffs „Ghetto“ bei den dänischen Problemvierteln,  weckt der Ausdruck doch stets  Erinnerung an die Deportation jüdischer Mitbürger aus Deutschland und anderen Ländern in Sonderwohnbezirke in östlichen Nachbarstaaten als Zwischenstation hin zur massenhaften Ermordung. Die Zielsetzung,  Kriminalität aus den Problemvierteln zu entfernen, die Situation der vielen Kinder zu verbessern, die – unbestritten –  in den belasteten Wohnkomplexen  mit  Problemen, für die sie nichts können, wie ein  Klotz am Bein ins Leben gehen,  ist bestimmt ehrenhaft.  Doch Ankündigungen, Lehrer, Erzieher und Sozialarbeiter würden  künftig Haftstrafen auferlegt, wenn sie  zuständige Behörden nicht über Erkenntnisse über  Vergehen in Familien oder  Institutionen informieren,  werden eher dazu führen, dass die so pauschal stigmatisierten Mitarbeitergruppen sich anderswo einen Job suchen.

Man kann hoffen, dass es gelingt, in  Problemvierteln dadurch für Entspannung zu sorgen, dass Milliarden für Sanierung der Bausubstanz  bereitgestellt werden,  die – attraktiver gemacht – von weniger sozial belasteten Menschen erworben wird. Das neue Anti-Ghetto-Konzept wird voraussichtlich politisch im Folketing eine Mehrheit bekommen – so wie frühere Vorstöße gegen belastete Wohnviertel in den vergangenen Jahren.

Allerdings dürfte sich auch bei dieser neuen Initiative  zeigen, dass vor allem die sozialen Ursachen des Elends bekämpft werden müssen, das Grund dafür ist, dass sich belastete Bevölkerungsgruppen in   der billigsten Kategorie Wohnraum niederlassen.  So wie wir es auch aus Nordschleswig mit einem allerdings deutlich kleineren Bestand an „Bruchbuden“ kennen.

Es wird kein Weg daran vorbeiführen, die zunehmende Schere zwischen Arm und  Reich in unserer  Gesellschaft zu verkleinern. Und auch die Tendenz, Problembewohner auszugrenzen, wird   soziale Belastungen nicht   verringern. Nötig ist  es, dass   sich breite Bevölkerungskreise engagieren –  und z. B. Arbeitgeber Problemkindern eine Chance geben, oder   Eltern in Schulen   außer an die  eigenen Kinder auch an das Wohlergehen der Verlierer auf den Schlingelbänken  denken.

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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