Leitartikel

„Ein Tag wie ein Brennglas“

Ein Tag wie ein Brennglas

Ein Tag wie ein Brennglas

Apenrade/Aabenraa
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Das Datum 15. Juni scheint es in diesem Jahr in sich zu haben, meint „Nordschleswiger"-Mitarbeiter Helge Möller.

Am Montag kommt einiges zusammen, und wie ein Brennglas das Licht bündelt, scheint es an diesem Tag auf nur ein Wort hinauszulaufen: Grenze. Am 15. Juni 1920 trat Deutschland offiziell Nordschleswig an Dänemark ab – für die dänische Mehrheitsbevölkerung eine Wiedervereinigung (genforening), für die deutsche Bevölkerung die Geburtsstunde der deutschen Minderheit in Nordschleswig.

Die Corona-Krise hat größere Feiern in Zusammenhang mit der Wiedervereinigung/Geburtsstunde der Minderheit unmöglich gemacht, ein bisschen wird doch gefeiert, wenn auch anders, als gedacht. Dänen und Deutsche, wenn auch letztere „offiziell“ auf dem letzten Drücker, nämlich um 23.59 Uhr, öffnen jeder für sich, die Grenze zum Nachbarland. Nicht für alle, aber für mehr als vorher. Beide Länder lockern ihre strengen Einreisebestimmungen, die sie Mitte März in nahezu blitzartigem Tempo erließen, um die Ausbreitung des Coronavirus zu stoppen.

Ob sich Politiker in Berlin und Kopenhagen das historische Datum bewusst aussuchten, kann zumindest skeptisch betrachtet werden. Andererseits werden sich deutsche Touristen, die sich nach Wochen von Ausgangsbeschränkungen auf Dünensand und Weite an der dänischen Westküste freuen, wohl auch nicht bewusst sein, dass sie am Montag an einem für das Grenzland wichtigen Datum die Grenze kreuzen, die einstmals viele Jahre durchlässig war und plötzlich nicht mehr.

Schleswig-Holsteiner und vor allem Menschen aus dem Landesteil Schleswig wird das Datum aber vielleicht doch etwas sagen. Und eben diese Schleswig-Holsteiner dürfen dann ab Montag endlich wieder die Grenze queren, ohne den berühmt-berüchtigten und geforderten „triftigen Grund“, einfach so, so wie früher, für ein Softeis.

Das ist eine Erleichterung für alle Grenzlandbewohner – das zeigen die vielen Fragen und Berichte von Lesern, die in den vergangenen Wochen oft freundlich an der Grenze von Beamten abgefertigt wurden, aber manchmal auch an diesen Beamten scheiterten.

Das dänische Parlament hat bereits angekündigt, die Corona-Maßnahmen und -regeln der Regierung untersuchen zu lassen. Eine Rückschau ist sinnvoll auch in Deutschland. Im Nachhinein ist man zwar immer schlauer, aber es hätte auf deutscher und dänischer Seite wohl bei der Kontrolle einiges besser laufen können. Die Leser berichten von sehr unterschiedlichen Auslegungen der Regeln. Das ist den Beamtinnen und Beamten, so die Vermutung der Grenzpendler, in den meisten Fällen aber nicht anzukreiden.

Die Politik hat Regeln vorgegeben, doch an der Grenze hat es sich herausgestellt, dass diese Regeln nicht jeden Einzelfall klären helfen. Das Leben hat sich im Grenzland eben etwas komplexer entwickelt. So lag es an den Beamten zu entscheiden, ob der Grund nun triftig war oder nicht. Und so kam es, dass der Grenzübertritt manchmal funktionierte und manchmal nicht. Aus Bürgersicht betrachtet ist eine Mal-so-mal-so-Entscheidung nicht nachvollziehbar. Ob das beim nächsten Mal anders wird? Es wäre zu wünschen, noch schöner wäre es, wenn es kein nächstes Mal gibt und das Grenzland so bleibt, wie es war: durchlässig. Es war ein weiter Weg dahin seit dem 15. Juni 1920.

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