Leitartikel

„Unser wahres Gesicht“

Unser wahres Gesicht

Unser wahres Gesicht

Nordschleswig/Sønderjylland
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Hamsterkäufe und Rangeleien im Supermarkt sind von Hilfsbereitschaft abgelöst worden. Wir finden unser wahres Gesicht, meint Chefredakteur Gwyn Nissen.

Kaum hatte Regierungschefin Mette Frederiksen am Mittwochabend im Fernsehen live den Ernst der Lage in Dänemark erklärt und hinzugefügt, dass es keinen Grund gebe, Lebensmittel zu horten, da stürzten sich viele Dänen in die Supermärkte und tätigten Hamsterkäufe. Lange Schlangen am späten Abend, Rangeleien und gefüllte Einkaufswagen.

Dabei hatte Mette Frederiksen deutlich dazu aufgerufen, nicht in Panik zu geraten, denn es gebe Lebensmittel genug. Doch bei einigen überwog der Egoismus – oder wenn wir nett sind, die Unsicherheit oder gar Angst. Vor allem Toilettenpapier und Hefe wurden von den Regalen geholt, neben Pasta und Dosentomaten, aber auch Brotregale und Gemüse- und Obst-Abteilungen waren wie leer gefegt.

Freitag hatte sich die Lage normalisiert. Oder wie jemand auf Facebook schrieb: Die „Bäcker“ und Arschlöcher haben sich versorgt. In den Supermärkten ist scheinbar wieder Ruhe eingekehrt.

Was aber ebenfalls Freitag auffällt, ist die Hilfsbereitschaft, die zutage tritt: In den sozialen Medien bilden sich Gruppen, die ihre Hilfe anbieten. Das Gleiche tun zwei Jugendliche aus Tingleff, die Freiwillige Feuerwehr aus Rinkenis und viele andere.

Das ist das wahre Gesicht einer Gesellschaft, die in einer Krisensituation zusammensteht und denen hilft, die es nötig haben. Seien es ältere oder kranke Personen, die derzeit am liebsten in ihren eigenen vier Wänden bleiben, oder die von Quarantäne betroffenen Nachbarn.

Mette Frederiksen hatte unser Verantwortungsbewusstsein angesprochen, und obwohl es Bürger gibt, die dies nicht verstanden haben, so reagierte eine große Mehrheit besonnen und ruhig – und legt mit ihrer Hilfsbereitschaft nun einen obendrauf.

Das lässt auch für die Zukunft hoffen, denn neue Strukturen, die in diesen Tagen entstehen, müssen am Ende der Krise nicht unbedingt wieder abgebaut werden. Vielleicht können wir dem heutigen Ausnahmezustand doch noch etwas Positives abgewinnen. Oder wie die frühere Kulturministerin Mette Bock auf Facebook schrieb: Vielleicht ist jetzt die Zeit, sich hinzusetzen und über das Leben zu philosophieren.

Zeit zum Nachdenken – und das wahre Gesicht zu finden.  

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