Leitartikel

Verhütungspolitik

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Apenrade/Aabenraa
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Warum geben reiche Länder wie Dänemark Entwicklungshilfegeld? Jedenfalls nicht mehr mit der Absicht, die Empfänger auf Augenhöhe zu bringen – sondern eher deshalb, um die hässlichen Symptome der Ungerechtigkeit zu behandeln, die wir nicht sehen und aushalten wollen, meint Cornelius von Tiedemann.

Warum geben reiche Länder wie Dänemark Entwicklungshilfegeld? Jedenfalls nicht mehr mit der Absicht, die Empfänger auf Augenhöhe zu bringen – sondern eher deshalb, um die hässlichen Symptome der Ungerechtigkeit zu behandeln, die wir nicht sehen und aushalten wollen, meint Cornelius von Tiedemann.

Wer nicht geboren wird, der kann auch nicht nach Dänemark einwandern. Das ist zugespitzt die Begründung, die Dänemarks Entwicklungshilfeministerin Ulla Tørnæs kürzlich in einer Pressemitteilung dafür geliefert hat, weshalb Dänemark 91 Millionen Kronen an bereits eingeplanten Entwicklungshilfemitteln künftig für Kondome für Afrika ausgeben will. Die Logik ist bestechend. Der Ansatz dahinter bedrückend.  Leisten wir Hilfe letztlich nur, um uns die Hilfsbedürftigen vom Halse zu halten? 

Es ist natürlich nicht ganz so einfach. Dass Dänemark und damit alle dänischen Steuerzahler Geld dafür hergeben, dass Frauen in Afrika darin gestärkt werden, selbst zu bestimmen, ob und wann sie ein Kind haben wollen, ist eine durchweg gute und wichtige Sache. Dass die Menschen in Afrika von besserer Familienplanung profitieren würden, ist ohne Zweifel richtig. Das Geld ist – auch wenn es angesichts der Größe Afrikas und seiner Probleme nur ein Tropfen auf einem heißen Stein sein mag – gut investiert. 

Auch die Folge, dass bei einem abnehmenden Bevölkerungswachstum in Afrika die Zahl derer abnehmen könnte, die keinen anderen Ausweg sehen, als sich auf die oft lebensgefährliche Reise in ein Europa zu machen, in dem sie alles andere als willkommen sind, scheint ganz logisch. Da ist es doch nur ehrlich, das auch zu sagen.

Das Bedrückende ist, dass Letzteres als Argument herhalten muss, um die Entwicklungshilfe zu rechtfertigen. Dass eine Ministerin in einem Land, dessen Bewohner zu den reichsten der Welt gehören und die tagtäglich von der systematischen Ausbeutung weiter Teile unserer Welt profitieren, Entwicklungshilfe damit begründet, dass diese der eigenen Bevölkerung zum Vorteil gereicht, indem sie jene Menschen von ihr fernhält, die unter der Last eben jener Realität zerbrechen, die unsere Traumwelt ihnen aufbürdet. 

Dänemark gibt, trotz der Kürzungen durch die Løkke-Regierung, im Verhältnis noch immer einen vergleichsweise großen Anteil an Entwicklungshilfe. Doch wird diese, so der Eindruck, inzwischen nicht mehr in der Erwartung und mit der Absicht gegeben, die Empfänger auf Augenhöhe zu bringen – sondern deshalb, um die hässlichen Symptome der Ungerechtigkeit zu behandeln, die wir nicht sehen und aushalten wollen. 

Afrikas Bevölkerung wird sich, mit oder ohne Kondomgeld aus Dänemark, bis 2050 verdoppelt haben. Wenn dies weiterhin nur als Bedrohung aufgefasst wird, kann Entwicklungspolitik nicht konstruktiv verlaufen. Smartphones, Autos, viele Lebensmittel – ohne Rohstoffe aus Afrika wären diese Produkte in ihrer Masse und Vielfalt in Europa nicht möglich. Soll heißen: Ohne Afrika wäre unser Lebensstandard nicht möglich. 

Es ist an der Zeit, ganz und gar ehrlich zu sein. Ja, Ulla Tørnæs, jeder nicht geborene Afrikaner ist einer weniger, der nach Dänemark kommen kann. Aber: Jeder geborene Afrikaner ist einer, dem wir es schulden, ihm auf Augenhöhe zu begegnen und zu fragen: Was können wir tun, damit es dir auch so gut gehen kann, wie es uns dank der Schätze deiner Heimat geht?

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