Wort zum Sonntag

„Einmalig und besonders“

Einmalig und besonders

Einmalig und besonders

Pastor Axel Bargheer, Kopenhagen
Axel Bargheer
Kopenhagen
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„Geliebt werden wir für unsere Einzigartigkeit und Individualität, die auch unsere Schwächen und Schrullen beinhaltet“, schreibt Pastor Axel Bargheer in seinem Wort zum Sonntag, den 30. Juli 2023.

Manchmal – vor allem abends, wenn die Stadt langsam stiller wird – sitze ich auf meinem Balkon und schaue zum Mond hinauf. Ich genieße das, egal ob er nur eine schmale Sichel ist oder voll und rund, oder irgendetwas dazwischen. Das sind besondere und schöne Momente, auch wenn der Mond nicht perfekt ist. Denn er ist voller Krater und Pickel.

Manchmal sitze ich am Öresund – gerne morgens früh, wenn es wenig gibt, was mich ablenken könnte. Ich mag das Meer, wenn es still ist und die Oberfläche eben wie der Boden eines Topfes, ich mag es aber auch, wenn es rau ist und die Wellen an den Strand rollen. Und manchmal, wenn der Wind vom Wasser her kommt, sind die Geräusche der Stadt hinter mir kaum noch zu hören. Es hört sich an, als hätte sich eine Daunendecke über den Lärm gelegt. Das sind besondere und schöne Momente, auch wenn ich weiß, dass das Meer unberechenbar ist und tief und dunkel sein kann.

Andere mögen andere Dinge, ich mag es einfach, unter freiem Himmel zu sein. Dabei geht es nicht um den perfekten Tag oder das perfekte Erlebnis; gerade das, was nicht perfekt ist, ist besonders, weil einmalig und faszinierend. Auch die Menschen, mit denen ich gern zusammen bin, habe ich nicht deshalb gerne in meiner Nähe, weil sie so perfekt sind, sondern weil sie die sind, die sie sind, und genau deshalb mein Leben bereichern. 

Erst wenn etwas nicht perfekt ist, ist es einzigartig und liebenswert. Vielleicht bewundern wir das Wissen oder das Können anderer, aber wir lieben sie nicht dafür. Geliebt werden wir für unsere Einzigartigkeit und Individualität, die auch unsere Schwächen und Schrullen beinhaltet.

Nicht weil wir perfekt sind, sind wir liebenswert, sondern weil wir die sind, die wir sind; so können wir in den Augen eines oder einer anderen etwas Besonderes sein. Auch Gott sieht und liebt uns in dieser unserer Einmaligkeit und Besonderheit. Für ihn sind wir unverwechselbar, in seinen Augen ist jede und jeder das „Salz der Erde“.

Und wenn wir es loslassen, immer das Perfekte zu suchen, werden wir das Einzigartige und Besondere im Alltäglichen erkennen und dafür einfach dankbar sein.

Axel Bargheer, Pastor der Deutsch Reformierten Kirche in Kopenhagen

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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