Wort zum Sonntag

„Das Wort zum Sonntag, 30. Mai 2021“

Das Wort zum Sonntag, 30. Mai 2021

Das Wort zum Sonntag, 30. Mai 2021

Günther Barten
Günther Barten
Nordschleswig
Zuletzt aktualisiert um:
Foto: Adobe Stock

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Das Wort zum Sonntag, 30. Mai 2021, von Günther Barten, Ladelund

Von Fliehen und Finden

Über Jona, den Propheten wider Willen, wird am Sonntag zu predigen sein.

Über ihn wird eine Geschichte erzählt; da macht er eine Reise und kommt an überraschenden Orten an: Einer dieser Orte ist der berühmte Bauch des Wales, in dem er drei Tage betend und meditierend saß, bis der Wal ihn springlebendig an dem Ort seiner Aufgabe an Land spuckte. Dort suchte er Ruhe im Schatten eines Rizinusbaums, um nicht in Ninive predigen zu müssen; aber siehe da: Der Baum vertrocknete, und Jona schmachtete drei Tage lang in der prallen Sonne.

Davonzulaufen und sich zu verkriechen: Das beschreibt die Spannungen und Kontraste, die Jona zu ertragen hat. Er soll in die Stadt, aber geht ans Meer; während der Sturm auf See wütet und das Schiff beutelt,  schläft Jona tief und fest. Um der Seenot zu entkommen, knobelt die Schiffsbesatzung einen Sündenbock aus, den sie zu ihrer Rettung bußfertig ins Meer werfen wollen. Ohne mit der Wimper zu zucken, sagt Jona: „Nehmt mich und werft mich ins Meer“! Das klingt pragmatisch, unaufgeregt, klar. Einen gewissen ironischen Schlenker hat die Geschichte auch zu bieten: Er, der Gottesmann, Jona, richtet kein einziges Wort an seinen Gott, er flieht ja auch vor ihm, aber die „Heiden“ flehen zu den Göttern um Rettung.

Die Geschichte von Jona gerät mir zum Spiegel: Wo schweige ich, wo ich hätte reden sollen? Wo sehe ich weg, wo ich doch hätte den Blick schärfen sollen? Wo verschließe ich die Ohren, wo ich doch hätte hellhörig sein sollen ? Folge ich dem Ruf der Nachfolge oder ergreife ich die großen und kleinen Fluchten ins Unverbindliche? Gottes Wort kommt mir nahe – empfindlich nahe – ich soll sein Sprachrohr sein; da laufe ich lieber weg, suche das Weite, verstumme, verweigere und verschlafe den Job.  Die Schiffsmannschaft begegnet mir unversehens wie eine multireligiöse Crew, und ich werde ein Teil von ihr, und am Bestimmungsort, Ninive, finde ich – Gott sei Dank – die Sprache wieder. Ich tauche ein in die Gemeinschaft derer, die sich noch in der Not  ihrem Gott und seiner Treue anvertrauen. Nun gilt es, gemeinsam die Gefahren zu erkennen und zu bewältigen, und das führt zu gutem Ende: Die Frommen, Fremden und Verworfenen finden unerwartet zusammen.

Das ist die Botschaft für Jona (und mich): Trotz allen Scheiterns – ich kann  immer neu beginnen. Jona deutet Seenot, Walbauch und verrottenden Rizinusbaum als Gottesgericht. Dies Gericht ist aber Gnadenakt, denn sein Richter bewegt zur Umkehr und erweist sich als ein Verfechter von Vergebung. Er, der Richter, ist ein Gott der grenzenlosen Liebe zu allem Lebendigen. Von dieser Liebe lebt auch Jona, und davon erzählt er – vom Wissen um den Gott, der hilft, der rettet, der sich zu uns bekehrt.

Günther Barten, Ladelund

Mehr lesen

Leserbrief

Meinung
Kristian Pihl Lorentzen
„Hærvejsmotorvejen som grøn energi- og transportkorridor“

Leserbrief

Meinung
Asger Christensen
„På tide med et EU-forbud mod afbrænding af tøj“