Autobiografie

Von Störtum nach Straßburg

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Apenrade/Brüssel/Kopenhagen
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Jens-Peter Bonde starb am Ostersonntag. Das Foto stammt von seinem 70. Geburtstag 2018. Foto: Linda Kastrup/Ritzau Scanpix

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Der Apenrader Jens-Peter Bonde ist am Ostersonntag verstorben. Doch vor seinem Tod hat er es noch geschafft, seine Autobiografie fertigzuschreiben. Sie zeichnet seinen Weg vom EU-Gegner zum konstruktiven Kritiker auf.

1972, in dem Jahr, in dem sich Dänemark der Europäischen Gemeinschaft anschloss, wurde der junge Jens-Peter Bonde zum EU-Gegner (damals EWG). Er hat sich zu dem Zeitpunkt wohl kaum vorstellen können, dass fast 50 Jahre später ausgerechnet zwei ehemalige Vorsitzende der EU-Kommission seinen Einsatz im Vorwort seiner Autobiografie würdigen würden.

Doch genau das ist der Fall in dem Buch, das am Tag nach seinem Tod am Ostermontag erschienen ist.

„Wir hatten unterschiedliche Ansichten, aber immer gegenseitigen Respekt und eine gute Zusammenarbeit“, schreibt der Luxemburger Jean-Claude Juncker, Kommissionsvorsitzender von 2014 bis 2019.

„Für mich war er ein konstruktiver Leiter einer eigentümlichen Fraktion, und während wir in einigen Fragen unterschiedlicher Ansicht waren, waren wir uns einig darin, dass Reformen notwendig waren“, schreibt der Portugiese José Manuel Barroso, Vorsitzender der Kommission von 2004 bis 2014.

Die Autobiografie erschien am Tag nach Jens-Peter Bondes Tod. Foto: danmarkshistorien.dk

Die Zitate sind bezeichnend für zwei Dinge in Bondes Biografie, die miteinander verzahnt sind. Einerseits zeigen sie seinen Weg vom EU-Gegner zu jemandem, der für eine bessere EU gestritten hat. Und andererseits wird deutlich, wie er sich durch seinen jahrelangen hartnäckigen und engagierten Einsatz in Brüssel und Straßburg Respekt und Kontakte verschafft hat.

Grenzlanderfahrung

Die Überschrift dieses Artikels ist dem ersten Kapitel seiner 674 Seiten langen Autobiografie entliehen.

Jens-Peter Bonde ist in Apenrade und Störtum aufgewachsen. Er beschreibt, wie die Kindheit zwischen dem Dänischen und dem Deutschen ihn geprägt hat.

„Der Mieter unter uns in den billigen gemeinnützigen Wohnungen auf Rugkobbel 20 meldete sich während des Krieges als freiwilliger deutscher Soldat. Im Nachbarblock war ein Tischlerkollege meines Vaters im Widerstand“, beschreibt Bonde den Alltag während des Zweiten Weltkriegs.

Auch die Widersprüche der damaligen Zeit lässt er nicht aus.

„Meine Mutter wusch die Kleidung des Küsters Andersen auf der Ungdomsborgen, nachdem er britische Waffen und Munition im Lauf der Nacht geholt hatte. Später wurde sie in der Bekleidungsfabrik KOFA angestellt, wo sie unter anderem Uniformen für die Deutschen nähten.“

H. P. Hanssens Tochter

Nach dem Krieg habe man zunächst nicht in den Geschäften eingekauft, die von Deutschen der Minderheit betrieben wurden.

„Doch eines schönen Tags kauften wir auch dort ein. Wir kauften, wo es am besten und am billigsten war, ohne auf nationale Zugehörigkeiten zu schielen“, so Bondes Erinnerung.

Als Gymnasiast besuchte Jens-Peter gerne eine gewisse Ingeborg Refslund Thomsen, die Abgeordnete im Landsting für Radikale Venstre war. Wem dieser Name nicht geläufig ist, der erkennt vielleicht den Namen des Vaters: H. P. Hanssen, eine der treibenden Kräfte der national gesinnten Dänen. Bonde erzählt, Hanssen habe mit den deutschen Kollegen im preußischen Reichstag Karten gespielt und sei ihr Kollege geworden.

„Hans Peter wurde Freund seiner Feinde. Durch seine Tochter lernte ich viel von ihm. Hans Peter wurde mein erstes politisches Vorbild.“

Gemeinsame Sache mit EU-Befürworter

Es ist wohl kaum ein Zufall, dass Bonde ausgerechnet dies in seinen Erinnerungen hervorhebt. Denn auch er hat in seiner Zeit als Europa-Abgeordneter – zunächst für die „Folkebevægelsen mod EU“ und dann für die Junibevægelse – so manchen politischen Gegner als persönlichen Freund gewonnen.

Und genau diese Dialogbereitschaft war wohl auch einer der Gründe, weshalb er sich vom Gegner der EU zu einem konstruktiven Kritiker entwickelte. Der Höhepunkt dieser Entwicklung war möglicherweise die enge Zusammenarbeit mit dem überzeugten EU-Anhänger Uffe Østergaard. Gemeinsam veröffentlichten sie 2018 das Buch „Was jetzt, EU?“.

Uffe Østergaard schreibt in einem Nachruf: „Mit Jens-Peter Bondes Tod haben wir einen großen Europäer verloren.“

Jens-Peter Bonde ist am Dienstag in Kopenhagen beerdigt worden. Er wurde 73 Jahre alt.

Die Autobiografie „Jens-Peter Bondes Erindringer – fra EU-modstander til Reformator“ kann auf Danmarkshistorien.dk kostenlos heruntergeladen werden.

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