Deutsche Minderheit

Junge Theatertruppe zerpflückte den Zeitgeist

Junge Theatertruppe zerpflückte den Zeitgeist

Junge Theatertruppe zerpflückte den Zeitgeist

Apenrade/Aabenraa
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Die weibliche Hauptrolle in der Aufführung „Und jetzt: Die Welt“ nach einem Hörspiel von Sybille Berg übernahmen mehrere Mitglieder der Theater AG des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig: (v. links) Mia Petersen, Mirja Lorenzen, Anna Steffen und Aenne Traulsen. Foto: Karin Riggelsen

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Verdienter Beifall für die großartige Aufführung des Stücks „Und Jetzt: Die Welt“ der Theater AG des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig. Die Corona-Auflagen verhindern öffentliche Vorstellungen.

Mit nüchternen Feststellungen wie, „nichts ist schlimmer als jung und abends allein zu sein“, oder ein Spruch wie „guten Abend meine Möbel, was habe ich heute so gemacht“, hat bei der Premiere der neuesten Aufführung der Theater AG des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig „Und jetzt: Die Welt“ die junge Theatertruppe ihr Publikum von Beginn in ihren Bann gezogen.

In der Aula des Deutschen Gymnasiums herrschte ausgelöst durch Videoprojektionen, musikalische Beiträge und das gekonnte Spiel der Schauspielertruppe eine Atmosphäre wie bei einem modernen Bühnenbetrieb. Das Publikum wurde spürbar mitgerissen. Foto: Karin Riggelsen

 

Das aufgrund der Corona-Auflagen auf einen kleinen Kreis beschränkte Publikum in der Aula des Gymnasiums wurde bei dem durch musikalische und tänzerische Einlagen sowie Videoprojektionen bereicherten Sprechtheater von Anfang bis zum Ende von einem Feuerwerk sarkastischer, humorvoller und zuweilen deprimierenden Einblicke in die Gegenwart heutiger Jugendlicher und ihrer Familien gefesselt.

Beeindruckende Interpretation des Textes von Sybille Berg

Die Texte der bekannten Autorin Sybille Berg, die ihr Werk 2015 als Hörspiel veröffentlicht hat, wurden von den Schauspielerinnen Mia Petersen, Anna Steffen, Anne-Christine Bonde Iwersen, Aenne Traulsen, Nela Friedrichs, Mieke Feddersen und Mirja Lorenzen überzeugend vorgetragen. Der einzige männliche Schauspieler Daniel Schlüter Schröder kam in seiner Rolle nur wenig zu Wort, spielte aber die Rolle des selbstverliebten Tänzers auf „Mädchenjagd“ sehr überzeugend.

 

Die Videoprojektionen parallel zum Geschehen auf der Bühne verstärkten die Ausdruckskraft der Wortbeiträge. Foto: Karin Riggelsen

 

Die Dialoge und Monologe der Akteurinnen, gespickt mit Sprüchen und Aphorismen zu Sehnsüchten, Zwängen und Ängsten machten Stück für Stück mit der Alltagswelt einer Gegenwartsjugendlichen samt kompliziertem Familienleben bekannt. „Ich sehne mich weder nach einem Gipfel des Himalaja noch nach einer Darmspiegelung“ klang es aus dem Mund der gestressten jungen Frau, die sich mit der Feststellung „Habe gute Zähne und bin politisch korrekt“ selbst versichert, den Ansprüchen der Umwelt zu entsprechen, um kurze Zeit später mit viel Sprachwitz Phrasen von Wohlfühlzonen, Seminaren über Beziehungen oder Bindungsfähigkeiten durch den Kakao zu ziehen.

 

Die „Sucht“ nach Nachrichten und Bildern im Smartphone wurde in der Aufführung auf die Schippe genommen. Foto: Karin Riggelsen

 

Auch häufige Blicke ins Smartphone und Austausch von Botschaften per sozialen Medien werden in die Handlung einbezogen, in deren Verlauf auch ein unsichtbarer Paul als Adressat angesprochen wird, hinter dem sich der „verschwundene"  Vater der weiblichen „Hauptfigur“ verbirgt, in deren Rolle mehrere DGN-Schaupielerinnen schlüpften.

 

Kameko Heger (r.) und Mieke Feddersen trugen mit ihren Gesangsbeiträgen zum Gelingen der Aufführung bei. Foto: Karin Riggelsen

 

Sie agierten allesamt überzeugend, oft begleitet von Instrumetalmusik oder Gesang. Melanie Lutz und Nela Friedrichs haben ihre Tanzeinlagen unter Anleitung der Hamburger Choreografin Anngreth Schultze einstudiert. Beeindruckend sind die Passagen mit Aussagen über Perfektionismus-Zwänge, denen Jugendliche ausgesetzt sind („Die Welt braucht nur noch Marathonläufer, der Rest sind „Loser“, hässlich muss keiner mehr sein.“).

Nela Friedrichs und Melanie Lutz (v. l.) boten gekonnt Tanzeinlagen während der Aufführung. Foto: Karin Riggelsen

 

Auch niederschmetternde Schlussfolgerungen nach gescheiterten Liebesbeziehungen, oder Sprüche wie „Ich kann es manchmal nicht erwarten, älter zu werden. Vielleicht bedeutet das, nicht mehr so blöd zu sein“, schlugen im Zuschauerraum ein, aus dem auch Kiechern zu vernehmen war, als es auf der Bühne um plumpe Anmache ging, Flucht vor pickeligen Verehrern oder die Weisheit, dass „Sex nie so schön wie in der Vorstellung gewesen ist“. Das temperamentvolle Spiel, die überzeugende sprachliche Leistung, Tanz und Musik sowie die Videoeinspielungen wurden mit anhaltendem Beifall quittiert.

 

Das Ensemble der Theater AG bedankte sich mit Blumen bei dem Leiter der Inszenierung, Jürgen Schultze, und Susanne Kirste, die den musikalischen Teil der Aufführung in Händen hatte. Foto: Volker Heesch

 

Die Theater AG bedankte sich mit Blumen bei Jürgen Schultze, dem bewährten Leiter der Theaterarbeit am DGN, und Musiklehrerin Sabine Kirste, die für den musikalischen Teil der Produktion gesorgt hat. Als  Musikerinnen und Musiker agierten Anne-Christine Bonde Iwersen, Gitarre, Daniel Schlüter Schröder, u. a. Percussion  und Saxofon, Isabell Möller Brodersen, Percussion und Gesang, Kameko Cosma Nike Lou Heger, Percussion und Gesang, Mia C. Petersen, Violine, Mieke Petersen, Gesang, Rasmus Korf, Schlagzeug und Anna Steffen, Bass.  Als Souffleuse war Martina Lutz im Einsatz, für die Technik waren Aaron Nebocat, Hans Fedder Kley und Jacob Madsen im Einsatz. 

 

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