Pride

LGBTQ+-Umzug wurde ein buntes Volksfest in der Innenstadt

LGBTQ+-Umzug wurde ein buntes Volksfest in der Innenstadt

LGBTQ+-Umzug wurde ein buntes Volksfest in der Innenstadt

Sonderburg/Sønderborg
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Die Regenbogenparade zog am Sonnabend mit bunt gekleideten Demonstrantinnen und Demonstranten durch Sonderburg. Foto: Karin Riggelsen

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Um die 500 in bunte Farben gekleidete Menschen beteiligten sich am feierlichen Spaziergang und an der Feier bei der Reiterstatue auf dem Südermarkt. Nach einigen Drohungen war auch die Polizei zahlreich dabei.


Der relativ junge LGBTQ+-Verein in Sonderburg hatte bei seiner ersten großen Pride-Demonstration ganz bescheiden nur auf ein paar Teilnehmende gehofft. An der Reiterstatue auf dem Südermarkt trudelten am Sonnabend um 13 Uhr aber sehr viele in Regenbogenfarben gekleidete Menschen ein. Schätzungsweise 500 gut gelaunte Frauen, Männer und Kinder wollten die „gute Sache" des bunten Umzugs unterstützen.

„Heute heiße ich Tina"

Bei den wartenden Gästen stand unter anderem Torben Ankerstjerne (50) aus Apenrade (Aabenraa), der fein geschminkt war und ein hübsches Frauenkleid trug.

Tina Ankerstjerne aus Apenrade Foto: Karin Riggelsen
Eine bunte Versammlung auf dem Südermarkt Foto: Karin Riggelsen
Regenbogenfarben überall auf dem Südermarkt Foto: Karin Riggelsen
Der Umzug spazierte an der abgesperrten Sdr. Havnegade entlang. Viele verfolgten das bunte Treiben am Hafen - auch bei „Visselulles Vinbar" Foto: Karin Riggelsen

„Heute heiße ich Tina, aber ich wurde als Mann geboren“, meinte er lächelnd. 2016 fand er im Internet mit anderen Transvestiten zusammen. Das war seine Welt und 2017 fasste er einen Beschluss: sein ganzer Umgangskreis und seine Familie sollten informiert werden.

„Die Bedürfnisse sind ja immer unterschiedlich. Aber ich musste einfach ehrlich sein und wollte, dass die anderen mich verstehen. Die Tina ist nun aus dem Schrank gesprungen, und sie wird nicht wieder verschwinden“, stellte er gut gelaunt fest.

Andere Männer würden sich zwar für ihn interessieren, „aber ich steh nun einmal auf Frauen“, lachte er. Ankerstjerne ist übrigens laufend bei verschiedenen Pride-Umzügen in Dänemark dabei.

„Das tun, was sie wollen“

Die Polizei begleitete den Umzug auf Fahrrädern sowie mit diversen Polizeiautos.

Lena Knudsen (l.) mit ihrer Tochter Lykke und ihrer Freundin Anita Madsen Foto: Ilse Marie Jacobsen
Naja Branner (r.) mit ihren Freunden Daniel und Kenny. Foto: Ilse Marie Jacobsen
Karl Aage Juhl (l.) mit seinem Ehemann Klaus Madsen Foto: Ilse Marie Jacobsen
Michael Kugel Sørensen (l.) mit seinem Ehemann Kim Kugel Sørensen Foto: Ilse Marie Jacobsen

Anita Madsen und Lena Knudsen hatten sich Hasenohren auf den Kopf gesetzt. „Ich bin bisexuell“, meinte Anita Madsen. „Und ich unsterstütze meine Freundin. Es ist doch an der Zeit, dass unter anderem unser Bürgermeister Informationen bekommt“, sagte Lena Knudsen, die ihre dreijährige Tochter Lykke beim Umzug dabei hatte.

Hulda Schrøder und ihre Mutter wanderten ebenfalls mit. „Wir kommen von Island. Alle sollen einfach genau das tun können, was sie wollen“, stellte Hulda Schrøder fest.

Es wurde gejubelt und geklatscht

Lis Hansen schaute aus einem offenstehenden Fenster in der Helgolandsgade dem Umzug zu, bei dem immer wieder laut gejubelt, geklatscht und applaudiert wurde. Laute Popmusik strömte aus mehreren Lautsprechern.

Ich akzeptiere alle Menschen, egal wie sie sind. Wir müssen alle unser eigenes Leben führen können.

Lis Hansen, Bewohnerin Helgolandsgade

„Ich akzeptiere alle Menschen, egal wie sie sind. Wir müssen alle unser eigenes Leben führen können“, stellte Lis Hansen fest.

Bei der Pride 2022 wurde auch getanzt. Foto: Karin Riggelsen
Auf dem Rathausmarkt wurde begeistert gefilmt und geknipst. Foto: Karin Riggelsen
Hass ist Unwissenheit, so die Feststellung auf dem rechten Schild. Foto: Karin Riggelsen
Auf dem Rathausmarkt zog der Umzug an den vielen Tischen vorbei. Foto: Karin Riggelsen

Am Umzug beteiligten sich auch Naja Branner und zwei ihrer Bekannten. „Ich bin mit einem Mann liiert, aber ich will die Sache hier einfach unterstützen. Alle müssen das tun können, was sie gerne wollen. Es ist gut, dass so viele heute hergekommen sind“, meinte die Sonderburgerin.

„Sønderborggruppen“ war dabei

Mitten im Umzug fuhr auch der Wagen der „Sønderborggruppe“, ein Treffpunkt für Homosexuelle.

„Wir haben vielleicht 20 oder 25 Mitglieder, und wir können im kommenden Jahr unser 40-jähriges Bestehen feiern. Wir haben Mitglieder aus ganz Dänemark und auch aus Flensburg“, so Karl Aage Juhl. Er freute sich nicht zuletzt über die Rückendeckung der Sonderburger Kommune. „Ich lebe seit 19 Jahren hier in Sonderburg und ich hatte nie Probleme, weil ich mit einem Mann zusammen bin. Aber Jugendliche haben es nicht so einfach“, weiß Karl Aage Juhl.

Er freute sich auch über die vielen Teilnehmenden an der Parade. „Es ist immer wichtig, Fahne zu zeigen. Es ist ein Feiertag, trotz des ernsten Themas. Das können wir bei LGBTQ+ einfach: alles in ein Fest verwandeln“, erklärte Juhl, der sich gern mit seinem Ehemann Klaus Madsen fotografieren ließ.

Trauung durch Bürgermeister Lauritzen

Der Däne Kim Kugel Sørensen (59) und sein Ehemann Michael Kugel Sørensen (52) aus Bayern freuten sich über die Pride-Demonstration, der von überall zugejubelt wurde. Die beiden Männer ließen sich im Februar von Bürgermeister Erik Lauritzen in Westersatrup (V. Sottrup) trauen.

„Das war für mich eine große Ehre. Der Bürgermeister ist schon toll“, so Michael Kugel Sørensen. Bei der Hochzeitsfeier durfte nur das Brautpaar in schwarze und weiße Farben gekleidet sein. Die 85 Gäste mussten alle in Regenbogenfarben beim Fest erscheinen. Seinen Umzug nach Dänemark hat der Mann aus Bayern nicht bereut: „Dänemark ist einfach ein wunderschönes Land.“

„Seht ihr gut aus"

Zurück bei der Ringreiterstatue wurde dem stellvertretenden Bürgermeister Stephan Kleinschmidt (Schleswigsche Partei) das Wort erteilt. „Seht ihr gut aus“, stellte er fest, und es wurde laut gejubelt.

Vizebürgermeister Stephan Kleinschmidt (SP) bei seiner Rede bei der großen Pride Foto: Karin Riggelsen
Der Startschuss für den Umzug der Pride Parade 2022 Foto: Karin Riggelsen
Die vielen Menschen marschierten über die Perlegade Richtung Hafen. Foto: Karin Riggelsen
Alle verfolgten das bunte Treiben der Pride-Parade. Foto: Karin Riggelsen

Der Mann aus der deutschen Minderheit, der sich schon immer für Akzeptanz und Vielfalt stark gemacht hat, freute sich, dass vor Kurzem in Kopenhagen und nun in Sonderburg mit einem Pride-Umzug mehr Gleichstellung und Toleranz gefordert wurde. Es hatte Drohungen gegeben, „aber haltet fest an eurer Veranstaltung. Wir sind in mehrerer Hinsicht ein Vorbild, auch wenn es um den Körper und die Sexualität geht. Man muss das Leben haben, das man sich wünscht.“

Kleinschmidt hatte im vergangenen Jahr vorgeschlagen, dass die Regenbogenflagge vor dem Rathaus gehisst werden sollte. „Diesmal kam sie hoch“, so Kleinschmidt, der unter anderem auch seine SP-Kollegin Christel Leiendecker beim Umzug dabei hatte. „Alle haben ein Recht, selbst über ihr Leben zu bestimmen. Ist die Pride hier in Sonderburg gekommen, um zu bleiben?“, fragte er die Versammlung. Das wurde mit einem tosenden Applaus bejaht.

Fünf Personen angezeigt

Die Polizei hat in Verbindung mit der Pride in der Nacht zu Sonnabend fünf Personen festgenommen. Ihnen wird Rassen-Diskrimination und Sachbeschädigung zur Last gelegt. Um 23.26 Uhr wurde bei der Polizei das Aufkleben von kritischen Bemerkungen gegen das LGBTQ+-Milieu gemeldet. Es waren auch Handzettel mit den gleichen Botschaften in Postkästen geworfen worden.

Um 0.44 Uhr wurden fünf Männer im Alter zwischen 22 und 60 Jahren in Sonderburg festgenommen. Der 60-Jährige wohnt in der Apenrader Kommune, die anderen vier sind nicht aus der Sonderburger Gegend. Alle weisen jegliche Schuld von sich.

Die Pride-Parade landete nach dem Umzug wieder am Südermarkt. Foto: Karin Riggelsen
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