Bildung

Wenn Schulkinder Teil der Geschichte werden

Wenn Schulkinder Teil der Geschichte werden

Wenn Schulkinder Teil der Geschichte werden

Rothenkrug/Rødekro
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Die Mädchen und Jungen durchsuchten das Erdreich von einer Grabungsstelle in Tondern an der Siebanlage nach Gegenständen. Foto: Museum Sønderjylland

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Das sogenannte Bewahrungscenter des nordschleswigschen Museumswesens in Rothenkrug dient dem „Museum Sønderjylland“ nicht nur als Magazin und Konservierungsstätte, sondern kann den hiesigen Schulen künftig auch Vermittlungskonzepte anbieten. Eine Klasse aus Klipleff machte den Test.

Das Museum Sønderjylland hat im Rothenkruger Gewerbegebiet am Voldbrovej ein sogenanntes Bewahrungscenter (dän. Bevaringscenter) gebaut, das im November 2021 eingeweiht wurde.

In dem markanten roten Quaderbauwerk sollen Museumsgegenstände aber nicht nur aufbewahrt werden, wie es der Name vielleicht andeutet. Dort werden die Dinge auch konserviert und restauriert. Aber damit nicht genug: Ein wichtiger Auftrag des Hauses ist die Vermittlung von Kulturerbe.

Das Bewahrungs- und Vermittlungscenter liegt am Voldbrovej im Rothenkruger Gewerbegebiet. Foto: Karin Riggelsen

Die verborgene Arbeit

Im vergangenen Jahr gab es schon einige öffentliche Hausführungen, die das Publikum sehr gut angenommen hat. „Wir wollen dem Publikum unbedingt weitere Einblicke in die verborgene Arbeit hinter den Museumsmauern gewähren, allerdings hat in diesem Jahr unser Unterrichtsangebot Vorrang gehabt“, sagt Öffentlichkeitsmitarbeiterin Ida Borchersen Henningsen von Museum Sønderjylland. Daher sind erst für das Jahr 2024 weitere öffentliche Führungen vorgesehen, wie die Museumssprecherin auf Nachfrage des „Nordschleswigers“ mitteilt.

Anfang des Jahres wurde Leila Joensson als Projektleiterin des Vermittlungslabors eingestellt. Sie bringt als ausgebildete Archäologin und Naturwissenschaftslehrerin das nötige Know-how aus beiden Welten mit. Joensson und ihr Team haben sich zunächst einmal auf die Vermittlung von historischem und naturwissenschaftlichem Wissen an Schulklassen konzentriert.

Wissen durch Freude

Nach einer intensiven Probephase im Frühjahr starteten sie vor wenigen Wochen einen letzten Test mit einer Schulklasse aus Klipleff (Kliplev). Die „Generalprobe“ hat gezeigt, dass man mittlerweile ein Konzept zusammengestrickt hat, das Wissen in den Bereichen Geschichte, Naturwissenschaften und Dänisch vermittelt und den Teilnehmenden noch dazu Spaß macht.

Mit Beginn des neuen Schuljahres können deshalb alle Schulen das Angebot nutzen. Es richtet sich an Klassen der Mittel- (4.-6. Schuljahr) und der Oberstufe (7.-9. Schuljahr). Über die Homepage des Bewahrungscenters können schon jetzt Termine gebucht werden.

Normalerweise ist Publikum der Zutritt zum Magazin verboten. Nur zu besonderen Anlässen öffnet das Museum Sønderjylland seine Schatzkammer. Die Sechstklässlerinnen und -klässler aus Klipleff fanden es auf jeden Fall ganz spannend. Foto: Museum Sønderjylland

Geschichte zum Anfassen

„Wir haben in Rothenkrug eine Unterrichtslandschaft mit Außenbereichen, mit Bereichen für stilles Arbeiten und für praktische Aktivitäten eingerichtet. Im Auditorium und im Vermittlungslabor finden dann der theoretische und der experimentierende Teil unseres Unterrichtsangebots statt“, erläutert Leila Joensson das Projekt.

Wichtig ist der Projektleiterin, dass die Schülerinnen und Schüler Geschichte zum Anfassen erleben, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Sie sollen selbst aktiv werden – mit den Händen spüren, mit den Augen sehen –, um etwas über die Vorgeschichte des Landesteils zu erfahren. Die Schülerinnen und Schüler werden auf diese Weise selbst Teil einer Geschichte und erhalten so auch ein besseres Verständnis für ihre Gegenwart. Das ist zumindest die Absicht.

Der Titel des Unterrichtsangebots, das die Sechstklässlerinnen und -klässler aus Klipleff testen durften, lautet: mit den Händen in der Geschichte. Wie das Foto zeigt, verspricht das Museum offensichtlich mit dem Titel nicht zu viel. Foto: Museum Sønderjylland

Drei Unterrichtsverläufe

In dem kommenden Schuljahr kann das Bewahrungscenter in Rothenkrug bereits drei unterschiedliche Unterrichtsverläufe für Klassen der Mittel- und Oberstufen anbieten.

  • Wer war X38? – Die Schülerinnen und Schüler lernen die Arbeit von Archäologinnen und Archäologen kennen, indem sie Funde registrieren und erfahren, welche Erkenntnisse aus den jeweiligen Knochen gezogen werden können.
  • Mit den Händen in der Geschichte – Auch hier geht es um Einblicke in die Arbeit von Archäologinnen und Archäologen. Anhand von echten Funden sollen die Kinder und Jugendlichen mehr über die damaligen Lebensverhältnisse der Menschen erfahren.
  • Was sind Schädlinge? – Dass Wasser und Feuer für Museumsgegenstände nicht gerade günstig sind, leuchtet den meisten sicherlich ein. Warum aber die Restauratorinnen und Restauratoren kleine Insekten wie das Papierfischchen von fast noch mehr fürchten, werden die Schülerinnen und Schüler bei diesem Unterrichtsverlauf erfahren.

Noch im Laufe des Schuljahres sollen dann weitere Unterrichtsverläufe für Klassen des sekundären Bildungsbereichs (dän. ungdomsuddannelser) sowohl für berufsbildende Schulen als auch für Gymnasien hinzukommen, wie Ida Borchersen Henningsen mitteilt.

Museumspädagoge Lars Nielsen mit den Schülerinnen und Schülern im Labor Foto: Museum Sønderjylland

Echte Erde aus Tondern

Die 6. Klasse aus Klipleff durfte den Unterrichtsverlauf „Mit den Händen in der Geschichte“ testen. Zum Einstieg erhielten die Mädchen und Jungen eine Führung durch das enorme Magazin, das ansonsten geschlossen ist. Anschließend sollten sie dem Ausgrabungsteam des Museums helfen, indem sie Erdreich untersuchten, das von einer echten Grabungsstelle an der ehemaligen Schiffbrücke in Tondern (Tønder) stammt. In einer Siebanlage wurde die Erde gründlich inspiziert. Mithilfe eines Wasserstrahls haben die Gäste Keramik- und Glasscherben, Tonpfeifen (dän. kridtpiber), Tierknochen und Lederteile zutage gefördert.

Anschließend wurden die Funde im Labor sortiert, kategorisiert und registriert. Die Mädchen und Jungen fanden schließlich heraus, dass die Gegenstände aus den Jahren von 1500 bis 1700 stammten.

„Die Schülerinnen und Schüler haben vier Stunden lang begeistert mitgearbeitet. Sie vergaßen förmlich die Zeit. Durch die Funde erhielten sie einen guten Einblick in das Leben in Tondern vor 400 bis 500 Jahren“, ist Ida Borchersen Henningsen überzeugt.

 

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