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„Ich glaube, ich habe die Kamera recht gut vergessen können“

„Ich glaube, ich habe die Kamera recht gut vergessen können“

„Ich glaube, ich habe die Kamera recht gut vergessen können“

Apenrade/Aabenraa
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Julie Alsbro Thomsen hat mit 15 Jahren ihren Schiedsrichterschein gemacht. Inzwischen hat sie ihre eigene aktive Fußballerinnenlaufbahn an den Nagel gehängt, um sich ganz der Schiri-Karriere zu widmen. Foto: Pipeline Production

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Die 20-jährige Apenraderin Julie Alsbro Thomsen ist Protagonistin in einer Fernseh-Doku über Fußballschiedsrichtertalente. „Dommersvin“ ist der Titel der sechsteiligen Serie, die ab Sonntag über das Streamingportal des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, „Danmarks Radio“, zugänglich ist.

„Ey, Schiri, bist du blind oder was?!“ Solche und ähnliche Zurufe von Fußballspielenden oder Publikum gehören für Julie Alsbro Thomsen zum Alltagsgeschäft, wenn sie als Schiedsrichterin unterwegs ist. Sie hat mittlerweile gelernt, mit solchen Beschimpfungen umzugehen.

Als ein Spieler sie jedoch wegen einer gegebenen Roten Karte körperlich anging, entschied sie sich für eine polizeiliche Anzeige. Der Mann erhielt dafür eine 20-tägige Haftstrafe. Diese Sache hat sie inzwischen längst für sich abgehakt.

Buhmann auf dem Platz

Eine Fernseh-Doku mit dem vielsagenden Titel „Dommersvin“ (Schiedsrichterschwein) des öffentlich-rechtlichen Fernsehens befasst sich mit der Frage, was junge Leute bewegt, sich dennoch mit einer Pfeife auf den Fußballplatz zu stellen, um sich zum Buhmann oder im Fall von Julie zur Buhfrau zu machen.

Die 20-jährige Apenraderin ist ihrem Vorhaben, eine Topschiedsrichterin zu werden, wieder ein Stück näher gekommen. Sie darf im Herrenbereich schon Serie-2-Spiele pfeifen, und im Frauenfußball leitet sie bereits Punktspiele in der 1. Division.

Julie wurde im November 2021 vom dänischen Fußballverband, DBU, sogar zur Breitensportschiedsrichterin des Jahres gekürt.

Das Titelfoto der Doku zeigt alle vier Protagonisten. Foto: Pipeline Production

Drehbeginn im Januar

Ganz genau weiß die 20-jährige Apenraderin es zwar nicht, wie ein Filmteam des öffentlich-rechtlichen Fernsehens „DR“ auf sie gekommen ist, um eine Doku über aufstrebende Schiedsrichtertalente im dänischen Fußball zu machen. Der Preis, das Gerichtsurteil oder vielleicht die Tatsache, dass sie eine junge Frau ist, könnten die Beweggründe gewesen sein, bei ihr anzufragen.

Letztlich ist es unwichtig. Julie hat auf jeden Fall zugestimmt und wurde im Zeitraum zwischen Januar und Juli dieses Jahres immer mal wieder von einem Kamerateam begleitet.

„Ich glaube, ich habe die Kamera recht gut vergessen können. Auf jeden Fall hat es mich nicht beeinflusst – weder auf noch neben dem Platz“, sagt Julie Alsbro Thomsen.

Ich habe mich wiedererkannt.

Julie Alsbro Thomsen, Fußballschiedsrichterin mit Ambition

„Ich habe die Serie bereits sehen können und habe mich wiedererkannt – in dem, was ich sage, und wie ich mich gebe“, stellt sie herzlich lachend fest.

Die Doku-Serie umfasst sechs Teile, die ab Sonntag über „DRTV.dk“ gestreamt werden kann.

Klare Gestik und Mimik sowie gute Kommunikationsfähigkeiten zeichnen eine gute Schiedsrichterin oder einen guten Schiedsrichter aus. Foto: Pipeline Production

Es gibt Unterschiede

Außer der jungen Apenraderin wurden auch drei junge Männer mit der Kamera begleitet.  Zwei von ihnen gehören wie Julie bereits länger der sogenannten Talentgruppe des Fußballverbandes an. Der Jüngste im Bunde, der 18-jährige Casper, steht noch am Anfang seiner Schiri-Karriere.

Es hat in den vergangenen Monaten einige Treffen zwischen den vier Protagonisten gegeben. Natürlich habe man sich ausgetauscht und festgestellt, dass es viele Ähnlichkeiten, aber auch Unterschiede gibt, sagt Julie.

Ob man im Raum Kopenhagen oder in der Provinz als Schiedsrichterin oder Schiedsrichter tätig ist, unterscheidet sich nicht nur bei den Beleidigungen, sondern lässt sich auch an ganz profanen Dingen festmachen.

„In Kopenhagen können die Kollegen zum Beispiel mit dem Rad zu den Spielen fahren. Meine Spielstätten liegen in der Regel 40 und mehr Kilometer entfernt. Ich muss mich immer ins Auto setzen“, zeigt Julie einen sehr großen Unterschied auf. Sie hat sich deshalb einen eigenen Pkw angeschafft.

Wenn man wie Julie Spitzenschiedsrichterin werden möchte, sollte man Kritik annehmen und umsetzen können. Foto: Pipeline Production

Aktive Karriere beendet

Sie verfolgt ihr Ziel, Eliteschiedsrichterin zu werden, mit großem Ehrgeiz, seit sie im Alter von 15 Jahren den Schiedsrichterschein machte. Julie hat inzwischen ihre eigene aktive Fußballerinnenkarriere an den Nagel gehängt, um sich ganz der Schiri-Pfeife zu widmen.

Die 20-Jährige hat nach dem bestandenen Abitur zunächst ein Sabbatjahr eingelegt. Sie ist derzeit Vikarin an der dänischen Freischule in Apenrade und hat deshalb Zeit, sich nebenbei ihrem „Hobby“ zu widmen.

Ihre Schiedsrichterkarriere ist auch für die Kinder in der Schule ein großes Thema. Immer wieder wird sie von den Mädchen und Jungen mit Fragen gelöchert oder wird gebeten, bei den Kicks auf dem Schulhof den Schiri zu machen. „Sie möchten auch, dass ich mal ihre Punktspiele pfeife“, sagt Julie. Allerdings hat sie schon längst keine Einsätze mehr im Kinderbereich. Sie ist da schon einige Stufen höher in der Schiri-Rangliste. Wenn alles weiter nach Plan läuft, könnte sie in der Frühjahrssaison vielleicht schon Serie-1-Spiele im Herrenbereich pfeifen. Allerdings fällt ihr auch kein Zacken aus der Krone, wenn das erst zum Sommer passiert, aber schön wäre es doch ...

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