Weltfrauentag

Frauen in „Männerberufen“: „Sie gehen die Dinge häufig anders an“

Frauen in „Männerberufen“: „Sie gehen die Dinge häufig anders an“

Frauen in „Männerberufen“: „Sie gehen die Dinge anders an“

Apenrade/Aabenraa
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Während Mille (l.) und Mia (Mitte) sich von Anfang an für einen sogenannten „Männerberuf“ entschieden haben, stand für Nadja auch lange ein typischer „Frauenberuf“ im Raum. Foto: Karin Riggelsen

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Lkw-Fahrlehrer Henning Hansen freut sich immer, wenn er Frauen in seinen Lehrgängen hat. Sie sind neugierig und stellen Fragen. Das würde er sich von seinen männlichen Schülern manchmal wünschen. Nadja, Mia und Mille berichten, warum ein typischer Frauenberuf für sie nicht infrage kam.

Pflege, Erziehung und Reinigung gelten als typische Frauenberufe, während Hoch- und Tiefbau sowie Metall verarbeitende Berufe weiterhin fest in Männerhand sind.

Es gibt allerdings auch Ausnahmen – und davon immer mehr. Junge Männer werden Krankenschwestern und Hebammen, Frauen entscheiden sich für von Männern dominierte Berufe. 

Mehr Frauen auf dem Lundsbjerg

Bei EUC Syd auf dem Lundsbjerg in Apenrade sind die Männer zwar weiterhin in der Überzahl, doch der Anteil von Frauen wächst. 

Drei dieser jungen Frauen hat „Der Nordschleswiger“ anlässlich des Weltfrauentages am 8. März befragt, was sie eigentlich zu ihrer Berufswahl bewogen hat.



Papa Schrauber, Bruder Schrauber, Mille Schrauberin

„Tja, ich bin wohl familiär ein wenig vorbelastet“, sagt die erst 16-jährige Mille Christensen aus Broacker (Broager). Ihr Vater ist zwar Maurer, aber in seiner Freizeit ein passionierter Schrauber. Alles, was einen Motor hat, wird in der heimischen Garage auseinandermontiert und wieder zusammengesetzt. Seine Kinder sind von Kindesbeinen an gern mit ihrem Vater in die Garage gegangen und mit dem Schrauberbazillus infiziert worden. 

„Für mich ist das daher nichts Besonderes. Für mich ist das normal“, sagt sie. Ihr älterer Bruder hatte sich für eine Mechanikerlehre entschieden und als sie nun die Berufswahl anstand, wählte sie den gleichen Weg. Allerdings hat die 16-Jährige noch keinen Praktikumsplatz unter Dach und Fach. Sie hat jedoch bereits ein Gespräch mit einem Autohaus in der Nähe geführt und ist sehr zuversichtlich, dass sie die Lehrstelle auch bekommt. „Dort im Betrieb gibt es bereits eine weibliche Karosserietechnik-Fachkraft“, weiß Mille.

Milles erstes eigenes Auto

Auch wenn sie erst 16 Jahre alt ist, hat sie sich vor wenigen Monaten ihr erstes eigenes Auto gekauft. Sie bezeichnet es als „Projekt“, auch wenn es erfolgreich durch den TÜV kam. „Ein gelber BMW E36, Baujahr 1997“, erzählt sie nicht ohne Stolz. Das Auto soll jetzt generalüberholt werden. Alle beweglichen Teile und das Bremssystem will sie auswechseln und ein paar Blecharbeiten wären wohl auch nötig. Das nötige Know-how holt sie sich jetzt gerade am EUC Syd, wo sie das einzige Mädchen unter 31 Jungen ist. 

Mille ist eine typische, moderne Teenagerin – einen Modetrend macht sie allerdings nicht mit: Lange Fingernägel aus Gel oder Schellack. „Die würden ja nur stören“, stellt sie lachend fest. Foto: Karin Riggelsen

Mit den mitunter kecken Kommentaren der Jungen kommt sie sehr gut zurecht, denn sie weiß, dass ihre Mitschüler auch ganz anders sind. Als für das (gestellte) Foto eine Taschenlampe benötigt wird, gräbt ein junger Mann ganz selbstverständlich eine Stablampe aus seinem Overall hervor und stellt sie Mille für das „Fotoshooting“ zur Verfügung. 

Mia Abelina ist mit Landmaschinen groß geworden. Ihr Vater hat nämlich ein Dienstleisterunternehmen. Foto: Karin Riggelsen

Keine Angst vor großen Fahrzeugen

Die 23-jährige Mia Abelina Petersen macht derzeit eine Zusatzausbildung als Berufskraftfahrerin. Sie ist eigentlich Lager- und Logistikauszubildende bei Abena in Apenrade. „Ein reiner Schreibtischjob kommt für mich so gar nicht infrage. Ich will gerne physisch aktiv sein. Ich möchte aber auch mit Menschen zu tun haben“, sagt sie und lacht. Bei Abena gibt es die Möglichkeit, eine Lager- und Logistikausbildung mit der Fahrertätigkeit zu kombinieren. Genau das schwebt ihr vor. „Die Mitarbeitenden packen die Waren selbst in ihre Lastwagen, bevor sie sie zu den Kunden fahren“, erzählt sie. Diese Kombination kommt ihrem Naturell sehr entgegen. 

Die regelmäßige Ölstandskontrolle gehört natürlich auch zu den Aufgaben einer Berufskraftfahrerin. Fahrlehrer Henning Hansen zeigt, wie es geht. Foto: Karin Riggelsen

Und Angst vor großen Fahrzeugen hat die zierliche junge Frau nicht. „Warum auch?“, lautet ihre Gegenfrage. „Ich bin mit großen Maschinen groß geworden. Mein Vater ist selbstständiger Landwirtschaftsdienstleister“, fügt sie erläuternd hinzu. Wie selbstverständlich schwingt sie sich in das Führerhaus des Volvo-Lastwagens, fährt einen kleinen Bogen auf dem Gelände der Berufsschule im Gewerbegebiet, um dann zielstrebig auf den bereitstehenden Hänger zurückzusetzen. Gleich im ersten Anlauf klappt es, Hänger und Lkw zu verkuppeln. Fahrlehrer Henning Hansen beobachtet das Manöver und lobt die junge Frau.

Mia hüpft unbeschwert in das Führerhaus und … ab geht die Post. Foto: Karin Riggelsen

Beste Erfahrungen

Der Fach- und Fahrlehrer hat eigentlich nur gute Erfahrungen mit weiblichen Lkw-Fahrschülern gemacht, wie er betont. „Die Absprungrate ist bei Frauen nicht höher als bei Männern. Eher im Gegenteil. Fahrschülerinnen räumen zudem auch mal Wissenslücken ein und stellen entsprechende Fragen. Das würde ich mir von manchem männlichen Schüler wünschen“, stellt er mit einem gewissen Augenzwinkern fest. „Sie gehen die Dinge häufig anders an“, sagt Henning Hansen. Durch die andere Herangehens- und Sichtweise wird auch er als Fachlehrer herausgefordert. Das mag er. 

Der Volvo FH ist für den Fernverkehr entwickelt. Ein Leben als Fernfahrerin kann sich Mia für sich aber nicht vorstellen. Sie möchte die Nacht doch lieber im eigenen Bett sowie den eigenen vier Wänden verbringen und nicht irgendwo auf einem Autobahnrastplatz in Europa. Foto: Karin Riggelsen

Nicht schlechter sein als die Jungs

„Ich bin schon ehrgeizig“, gibt sie zu. „Ich muss nicht die Beste sein. Ich will aber zumindest nicht schlechter sein als meine männlichen Mitschüler“, fügt die 23-jährige Mia hinzu. Die Berufskraftfahrerausbildung besteht nicht nur aus der praktischen Fahrprüfung. Man muss auch wissen, wie ein Motor und die Bremsen funktionieren. Da Mia sich früher nicht sonderlich für das Innenleben eines Fahrzeugs interessiert hat, bleibt ihr nichts anderes übrig, als zu pauken und nachzufragen, wenn sie etwas nicht auf Anhieb versteht.

Ihren Mitschülern geht es da bestimmt nicht großartig anders. Nur geben die wenigsten der männlichen Schüler ihre Defizite zu. 

Für das richtige Beladen von Lkw und Hängern gibt es ebenfalls ein dickes Regelwerk. „Allein die Ladungssicherung ist ein Kapitel für sich“, sind sich Fahrlehrer und Schülerin einig. Henning Hansen ist aber zuversichtlich, dass Mia die abschließenden Prüfungen bestehen wird.

Nadja hatte schon einige Jahre in einem Lager gearbeitet, bis sie sich entschied, den Beruf von der Pike auf zu lernen. Foto: Karin Riggelsen

Kita oder Lager?

Während Mille und Mia relativ zielstrebig ihre Berufskarriere in einem „Männerberuf“ angegangen sind, liegt hinter der heute 37-jährigen Nadja Schlünzen Mammen aus Wilsbek (Vilsbæk) ein eher längerer Prozess. „Ich habe lange hin und her geschwankt, was ich machen will. Ich war pädagogische Hilfskraft in einer Kita, habe aber auch in einem Lager gearbeitet. Eine Ausbildung hatte ich aber nicht“, sagt die dreifache Mutter. Deshalb hat sie sich mit Mitte 30 entschieden, endlich Nägel mit Köpfen zu machen und eine Lager- und Logistiklehre zu machen. 

Beim Unternehmen Øland, dem landesweit führenden Lieferanten von Ventilationsanlagen und Dämmungsprodukten, in Klipleff (Kliplev) erhielt sie eine Lehrstelle unweit ihres Wohnortes. Das ist für die Logistik der eigenen Familie praktisch. Darüber hinaus lobt sie das gute Arbeitsklima im Unternehmen. 



Die Vorteile einer Erwachsenen-Lehre

Dass sie erst im „reiferen“ Alter eine Ausbildung macht, sieht sie eigentlich als Vorteil. „Ich denke, dass ich als erwachsene Frau eher schaffe, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren“, sagt sie. Dass sie sich offensichtlich für einen „Männerberuf“ entschieden hat, ist ihr dagegen erst in der Berufsschule aufgefallen. In ihrer Klasse sind unter den 12 Schülern nur 4 bis 5 Frauen. Im vergangenen Jahr legte bei EUC Syd auf dem Lundsbjerg sogar nur eine Frau die Gesellenprüfung im Bereich Lager und Logistik ab, und zwar als einzige Frau unter 20 Männern.

Bei Øland sind im Lager viele andere Frauen angestellt, besonders in der Packabteilung. „In der Produktion ist das anders. Da sind die Männer in der klaren Überzahl“, sagt Nadja Schlünzen Mammen. Sie arbeitet ganz gern mit männlichen Kollegen zusammen, weil das in der Regel ohne „Zickenkrieg“ abläuft; den Schritt weg von der Kita in ein Lager hat die 37-Jährige nicht bereut.  

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