THEMA DER WOCHE: KÖNIGINBESUCH

Hintergründe zum historischen Besuch von Königin Margrethe bei der deutschen Minderheit 1986

Hintergründe zum Besuch der Königin 1986

Hintergründe zum Besuch der Königin 1986

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Apenrade/Aabenraa
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Der erste Besuch von Königin Margrethe in Nordschleswig am 24. Juli 1986 zog große Aufmerksamkeit auf sich. Foto: DN

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Der Besuch des Königspaares in Nordschleswig im Jahre 1986 hatte historische Folgen, die das deutsch-dänische Verhältnis geprägt haben.

Nach meiner Wahl zum ersten Sekretariatsleiter des Bundes deutscher Nordschleswiger 1983 in Kopenhagen hatte ich mir – offiziell aber auch inoffiziell – einige Ziele gesteckt:

  1. Die Wahrnehmung der berechtigten Interessen der deutschen Minderheit gegenüber Regierung und Folketing.
  2. Die Hoffnung, die deutsche Minderheit aus einer gewissen Isolation, sozusagen aus einer rechten Ecke in die gesellschaftliche Mitte zu führen.
  3. Vor dem Hintergrund der historischen Belastungen aus der Zeit von 1933-1945 eine Aussöhnung mit dem dänischen Staat anzustreben, die ich zeitlich für reif hielt.

Es fehlte die Anerkennung von höchster Stelle

Aus meiner Sicht fehlte dazu vor allem ein entscheidender Durchbruch. Seit 1920 hatte die deutsche Minderheit, die sich ja in der Gründungserklärung vom 22. November 1945 voll zu König und Staat bekannt hatte, nie eine Anerkennung von höchster Stelle erfahren, denn in der bisherigen Geschichte gab es keinen offiziellen Besuch des dänischen Staatsoberhaupts bei seinen – inzwischen – voll loyalen deutsch-nordschleswigschen Untertanen.

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass sich die deutsch-dänischen Beziehungen durch die Nato- und EG-Mitgliedschaft sowie durch die Bonn-Kopenhagener Minderheitenerklärungen von 1955 entscheidend verbessert hatten, schien mir eine königliche Visite endlich fällig. Hinzu kam – wahrlich nicht unwichtig – dass Königin Margrethe 1974 erstmalig offiziell ihre dänische Minderheit im Landesteil Schleswig besucht hatte. In einer Rede im Juni 1974 hatte sie in Kiel nicht nur ihre eigene dänische Minderheit angesprochen, sondern auch auf die deutschen Nordschleswiger verwiesen mit den Worten:

„Mit den gleichen Gefühlen betrachten Sie hier den deutschgesinnten Bevölkerungsteil nördlich der Grenze, die gute Bürger des dänischen Königreichs sind.“  

Poul Schlüter: Ein entscheidender Landsmann

Beim Besuch von Bundespräsident Walter Scheel bei der deutschen Minderheit im Jahre 1979 hatte Königin Margrethe aus diesem Anlass den Bundespräsidenten und eine Delegation der deutschen Minderheit auf die königliche Yacht „Dannebrog“ im Apenrader Hafen eingeladen.
Als unschätzbarer Gewinn erwies sich bei meinen Bemühungen in Kopenhagen, dass 1983 mit Poul Schlüter – ein echter nordschleswigschen Landsmann – im Staatsministerium regierte. Vertraulich informierte ich ihn über meine „Pläne“ und fand dabei seine volle Rückendeckung. Schliesslich lief ein solcher königlicher Besuch nicht ohne die Abstimmung mit der Regierung, also mit dem Staatsminister, ab. 

In zahlreichen Gesprächen auf Christiansborg versuchte ich die Möglichkeiten eines solchen Besuchs auszuloten, bis ein erster Durchbruch im Königshaus dadurch erreicht wurde, dass ich – nun guten Glaubens – Hofmarschall Hans Sølvhøj vertraulich darin bat, zu untersuchen, ob ein solcher Vorstoss der Minderheit überhaupt Erfolg haben könnte.

Vorsondierungen zu einem königlichen Besuch

Den früheren sozialdemokratischen Minister Sølvhøj hatte ich vor allem in seiner Eigenschaft als DR-Generaldirektor kennen-und schätzen gelernt, besonders nach einer heftigen Rundfunk-Fehde mit Radio-Syd-Chef Bjørn Svensson, wo er mir als Chefredakteur des „Nordschleswigers“ zur Seite gestanden hatte. Sølvhøj war zuvor unter anderem Vorsitzender der Deutsch-Dänischen Gesellschaft in Kopenhagen gewesen und hatte sich mit einem Kreis führender dänischer Politiker und kultureller Persönlichkeiten für eine nachdrückliche Verbesserung des deutsch-dänischen Verhältnisses eingesetzt, auch schon vor dem dänischen EWG-Beitritt 1972.

Sølvhøj orientierte die Königin über „unseren“ – natürlich noch inoffiziellen – Wunsch, und die Königin hat nach seinen Angaben dann nach internen Überlegungen gerne zugesagt.

In der deutschen Minderheit kannte ich nur einen, dem in meiner Arbeit sowohl bei der Zeitung als auch im Kopenhagener Sekretariats stets voll vertrauen konnte: Generalsekretär Peter Iver Johannsen. Es ging ja darum, dass nichts durchsickern durfte, um die Absprache nicht in letzter Minute zu gefährden. Ich hatte Peter Iver über meinen geheimen Versuch informiert, und als die inoffizielle Bestätigung des Königshauses vorlag, hat der BdN-Hauptvorsitzende Gerhard Schmidt dann eine offizielle Einladung an die Königin ausgesprochen, die sie erwartungsgemäss dankend annahm.

Besuch des Königspaares im Juli 1986

Der Besuch des Königspaares im Juli 1986 – also 66 Jahre (!) nach der Grenzziehung – bei der deutschen Minderheit war zweifelsohne mein grösster Erfolg in den 24 Jahren meiner Kopenhagener Arbeit, vor allem, weil sich nach diesem Besuch der Königin nun in Kopenhagen die Türen für mich öffneten, es mit anderen Worten „leichter“ wurde, mit Regierung und Folketing selbst schwierige Fragen der Minderheit offen zu besprechen und in einigen Fällen auch zu lösen. Gleichzeitig wurde mit dem Besuch auch ein positiver Effekt in der breiten dänischen Öffentlichkeit erzielt; nicht nur wegen der insgesamt 90 Journalisten, die über den Besuch des Königspaares bei der deutschen Minderheit in allen Medien berichteten; sowohl in Dänemark als auch in Deutschland.

Staatsbesuch von Bundespräsident Richard von Weizsäcker 1989

1986 war ein Einstieg gelungen: besonders der Staatsbesuch von Bundespräsident Richard von Weizsäcker 1989 in Dänemark lieferte dafür ein Musterbeispiel.

Als ich vertraulich aus Botschaftskreisen in Kopenhagen – von meinem Freund, dem Pressereferenten der deutschen Botschaft, dem aus Hadersleben stammenden Johannes  Dose – von einem möglichen Staatsbesuch des Bundespräsidenten erfuhr, habe ich mich hinter den Kulissen bei deutschen und dänischen Stellen dafür eingesetzt, dass – erstmalig – auch die deutsche Minderheit ein Teil eines Staatsbesuchs sein sollte; nicht nur protokollarisch, sondern gewiss auch historisch ein Höhepunkt für die deutsche Minderheit. In Bonn wurde zunächst unerwartet grosse Zurückhaltung geübt: deutsche Minderheit? Das roch einigen Bonner Präsidenten-Beratern zu sehr nach „rechts“, und der Bundespräsident – so wurde mir signalisiert – wollte lieber an der jütischen Westküste Windmühlen besichtigen, um sich so bei der von ihm angestrebten Wiederwahl auch die Stimmen der Grünen zu sichern. 

Das konnte ich natürlich nicht einfach akzeptieren, und ich wandte mich deshalb vertraulich erneut an das Königshaus. Königin Margrethe soll dazu in diesem Zusammenhang intern gesagt haben:
Der Bundespräsident ist mein Gast, also soll er auch die Freude erleben, die mir beim Besuch der deutschen Minderheit in Tingleff zuteil geworden ist. 

So kam die deutsche Minderheit offiziell ins Programm des Staatsbesuchs von Bundespräsident von Weizsäcker, der – übrigens begleitet von Prinz Joachim – für seine Rede in Tingleff  bei den deutschen Nordschleswigern viel Beifall und Anerkennung fand. Von Weizsäcker soll nach dem Staatsbesuch in Dänemark gesagt haben, dass der Besuch bei der deutschen Minderheit für ihn ein Höhepunkt gewesen sei, was unter anderem dadurch zum Ausdruck kam, dass er sich – weil er sich in der Tingleffer Sporthalle offenbar so wohl fühlte – viel länger bei der deutschen Minderheit aufhielt als dem dänischen Protokoll lieb war. 

Weitere königliche Besuche in Nordschleswig

Nach dem Besuch der Königin gelang es, zunächst im Jahre 1997 Prinz Joachim mit seiner damaligen Prinzessin Alexandra zu einem Besuch bei der deutschen Minderheit einzuladen, und ganz besonders herzlich verlief der Besuch des Kronprinzenpaares bei der deutschen Minderheit  am 31. Juli 2008, den Kronprinz Frederik mir bei einer früheren Begegnung in Kopenhagen „versprochen“ hatte.

Zwei zentrale Sätze sind aus der Rede des Kronprinzen besonders hervorzuheben, sein Brückenschlag über die schwierige Vergangenheit bis zur Gegenwart.

„Die Verhältnisse haben sich seitdem glücklicherweise positiv entwickelt. Galt die Minderheit damals als ein notwendiges Übel, mit dem man leben musste, so sieht man heute die deutsche Minderheit als ein bereicherndes Element in dem Besonderen, das immer die Stimmung in Sønderjylland gekennzeichnet hat.“ Und Kronprinz Frederik schloss seine Rede auch im Namen von Kronprinzessin Mary mit den warmen Worten: „Bei Euch haben wir uns heute sehr zu Hause gefühlt!“

Dieser Besuch hatte auch eine interessante minderheitenpolitische Komponente, die in der Öffentlichkeit kaum beachtet wurde. Als Regel des dänischen Königshauses galt, dass die Königlichen immer zuerst ihre dänische Minderheit in Südschleswig besuchen, aber im Falle des Kronprinzenpaares war es umgekehrt; grenzlandpolitisch eine kleine Sensation, die eindrucksvoll auch eine neue Linie im Königshaus dokumentierte. 

(Langzeit-) Folgen des königlichen Besuches von 1986

Sie manifestierte sich auch im Jahre 2002, als Bundespräsident Rau zu einem Staatsbesuch nach Dänemark kam und im Rahmen dieses Staatsbesuchs mit Vertretern der deutschen Minderheit ein 45-minütiges Gespräch führte – im Fürstensalon auf Schloss Fredensborg, im sogenannten chinesischen Zimmer, das die Königin freundlicherweise zur Verfügung gestellt hatte. 

Die deutsch-dänischen Kontakte – dazu gehörte vor allem auch 1985 ein Gespräch der deutschen Minderheit mit Staatsminister Poul Schlüter und Bundeskanzler Helmut Kohl  in Tondern – erfuhren  nach dem Besuch des Königspaares 1986  eine spürbare Wende; nach innen und aussen. 

Im Jahr 1985 besuchten Staatsminister Poul Schlüter und Bundeskanzler Helmut Kohl die deutsche Minderheit in Tondern. Foto: DN

Ein besonders erfreuliche (Langzeit-) Folge dieses Besuchs war die grosse dänisch-nationale 75-Jahrfeier auf Düppel 1995, wo Amtsbürgermeister Kresten Philipsen und die Historikerin Inge Adriansen auch die offizielle Teilnahme einer kleinen Delegation der deutschen Minderheit durchgesetzt hatten – sogar mit dem damaligen Hauptvorsitzenden Hans Heinrich Hansen als Redner. Diese Tatsache gefiel nicht allen Dänen, und auch am Königshaus fand Philipsen zunächst nicht nur grosse Begeisterung für seine Idee – im Gegensatz zur Haltung von  Staatsminister Schlüter, der sie voll unterstützte.

Die Rede von Hans Heinrich Hansen – Ergebnis eines konstruktiven Führungsteams – erhielt hohe Anerkennung, und auch die Königin äußerte sich intern sehr lobend über den Auftritt unseres Hauptvorsitzenden. 

Hans Heinrich Hansens Rede war ein weiterer – auch psychologisch wichtiger – Durchbruch auf dem Weg zur Gleichberechtigung.

Die Rede von Hans Heinrich Hansen auf der großen dänisch-nationalen 75-Jahrfeier auf Düppel 1995 erhielt hohe Anerkennung. Foto: DN

Zu den deutsch-dänischen Höhepunkten gehörte auch ein ungewöhnlicher Doppel-Besuch im Grenzland: Königin Margrethe und der deutsche Bundespräsident Roman Herzog besuchten an einem Tag im Jahre 1998 sowohl die dänische als auch die deutsche Minderheit  im Deutschen Gymnasium in Apenrade.  

Mein Traum aus dem Jahre 1986 von der deutschen Minderheit in Dänemark ist inzwischen in Erfüllung gegangen. 

Wir sind endlich da angekommen, wo wir hingehören: Als deutsche Nordschleswiger, als gleichwertiger Teil des dänischen Königreiches! 

Vorabdruck / Artikel aus einem von S. Matlok für 2021 geplanten Buch über Zeitung und deutsche Minderheit.

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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