Kommunalwahl 2021

Hinrich Jürgensen: „Es ist legitim, die Partei der Minderheit zu wählen“

Hinrich Jürgensen: „Es ist legitim, die Partei der Minderheit zu wählen“

„Es ist legitim, die Partei der Minderheit zu wählen“

Apenrade/Aabenraa
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Hinrich Jürgensen (Archivfoto) freut sich über Stimmenzuwächse in drei von vier Kommunen Nordschleswigs. Foto: Karin Riggelsen

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Interview: Der Hauptvorsitzende der Deutschen in Nordschleswig bezeichnet den Bürgermeisterposten in Tondern für die Schleswigsche Partei als historisch. Nicht nur wegen des Erfolges an sich, sondern auch für die Akzeptanz der Minderheit.

 Deine erste Reaktion auf die Ergebnisse der Schleswigschen Partei am Tag nach der Kommunalwahl?

„Herzlichen Glückwunsch an die Minderheit! Das ist fantastisch gelaufen. Wir haben natürlich Stimmenverluste im Vergleich zur letzten Wahl. Durch die geringere Wahlbeteiligung insgesamt verliert man auch Stimmen, aber es war natürlich auch Sonderburg-bedingt und kam nicht ganz überraschend. Aber einen ganz großen Dank an die Mannschaft in Apenrade und an alle vor Ort, sie haben alle einen riesigen Einsatz geleistet, nicht nur für die SP, sondern für die ganze Minderheit!“

In Sonderburg gab es drastische Stimmenverluste – und mit 8 Prozent und dem Vizebürgermeister-Posten am Ende aber doch ein durchaus anständiges Ergebnis, oder nicht?

„Ich bin froh, dass in Sonderburg noch immer drei Mandate sind. Gerade in Sonderburg hat die SP jetzt auch das gemacht, wofür sie steht und was sie vor der Wahl auch gesagt hat – nämlich dafür zu sorgen, dass es eine breite Mehrheit gibt. Eigentlich hätten die Sozialdemokraten und die SP das unter sich ausmachen können, aber ich denke, dass vor allem die SP dafür verantwortlich ist, dass es eine breite Koalition geworden ist. Letztes Mal war es wohl auch ein wenig dadurch bedingt, dass Venstre nicht ganz so gut aufgestellt war wie dieses Mal. Aber sonst haben wir Zuwächse in allen Kommunen, und das ist ja noch erfreulicher, auch wegen der geringeren Wahlbeteiligung kann man das noch höher bewerten.“

Einen ganz großen Glückwunsch an Jørgen Popp und seine ganze Crew.

Hinrich Jürgensen

Besonders in der Kommune Tondern (Tønder) gab es Zuwächse. 13,3 Prozent für die SP, vier Mandate im Stadtrat und sogar der Bürgermeisterposten für SP-Kandidat Jørgen Popp Petersen ...

„Einen ganz großen Glückwunsch an Jørgen Popp und seine ganze Crew. Der Erfolg spiegelt die Arbeit wider, die die letzten Jahre gemacht wurde. Auch hier haben sie gezeigt, dass sie auf Konsens hinarbeiten, und das hat sich dann bei der Konstituierung ausschlaggebend gezeigt. Es wurde auf Jørgen gezeigt als Bürgermeister, weil er das größte Vertrauen genießt und das über die Jahre auch bewiesen hat. Ich finde es ganz toll, dass es jetzt geglückt ist, auch einen Bürgermeister aus der Minderheit zu kriegen. Das spiegelt wider, was wir in Verbindung mit 100 Jahren Minderheit, vom Gegeneinander über das Miteinander zum Füreinander, umsetzen. Das wird jetzt quasi in Tondern auch sichtbar.“



Siehst du das nur als Chance – oder birgt es auch die Gefahr für die Minderheit, dass politische Krisen künftig auf die Minderheit zurückfallen könnten?

„Ich glaube schon, dass man das trennen kann. Einmal das politische Tagesgeschäft, dann die Minderheitenarbeit generell. Da habe ich keine große Befürchtung. In den vergangenen Jahren wurde auch immer ein Unterschied gemacht.
Ich hoffe natürlich auch, dass die SP sich dadurch in Tondern stark profilieren kann und eine gewisse Stabilität in der Mandatszahl erreicht.“

Apropos Stabilität: Die SP hat, abgesehen von Hadersleben, wo es in der Bevölkerung auch deutlich weniger Menschen mit Minderheiten-Hintergrund gibt, in Nordschleswigs Kommunen über 7 Prozent erreicht. War das zu erwarten?

„Ich habe darauf gehofft und eigentlich auch damit gerechnet, eben weil wir eine zuverlässige, stabile Politik machen. Das haben andere auch erkannt. Natürlich sind die Prozentzahlen in Hadersleben geringer, aber trotzdem ist die Stimmenzahl gestiegen, und auch hier gibt es durch den Ausschussposten für Carsten Leth Schmidt die Möglichkeit für die SP, sich noch besser zu profilieren. Das ist sehr, sehr gut.“

Etwas unspektakulärer nimmt sich auf den ersten Blick das Ergebnis in Apenrade aus, wo zwei Mandate verteidigt wurden, aber zunächst noch kein politischer Einfluss feststand.

„Es ist natürlich eher eine Abwahl des jetzigen Bürgermeisters gewesen. Da muss die SP dann sehen, wie sie Einfluss auf die neue Konstellation nehmen kann. Deshalb finde ich es gut, dass man sich seitens der SP erst mal Bedenkzeit erbeten hat, um zu sondieren, was ansteht und welche Möglichkeiten es gibt.“

Das bedeutet für uns als Minderheit, dass wir  sichtbar werden. Aber andererseits eben auch, dass deutlich wird, dass es legitim ist, auch die Partei der Minderheit zu wählen.

Hinrich Jürgensen

Was nimmst du für die Minderheit vom Wahlergebnis in Apenrade mit?

„Auch mit der SP in Apenrade sind wir vorgeprescht, vor allem die Neulinge Kurt Asmussen und Thore Naujeck, aber auch Katharina Kley hat ja als Erstwählerin ein wirklich gutes Ergebnis geholt. Und das zeigt ja diesen guten Wahlkampf, den alle geführt haben, in Sonderburg, Tondern, Apenrade und Hadersleben, was auch zu diesem Erfolg geführt hat. Und da muss ich Ruth Candussi (Parteisekretärin der SP, Red.) und ihrem Team gratulieren und einen ganz, ganz großen Dank aussprechen, die haben wirklich 24 Stunden am Tag dafür geackert.“ 

Was bedeutet die Wahl mit ihren Ergebnissen, einem Bürgermeister, einem Vize-Bürgermeister, mehreren wichtigen Ausschussposten und zehn Mandaten in Nordschleswig für die deutsche Minderheit in Dänemark insgesamt?

„Das bedeutet viel, weil man nach außen hin sichtbarer ist. Das andere ist die Bürgermeisterwahl. Einerseits habe ich dadurch seit den Morgenstunden schon unzählige Interviews gegeben, vor allem auch deutschen Medien. Als der SSW in den Bundestag kam, gab es schon viel mediale Aufmerksamkeit für die dänische Minderheit, und jetzt sehen wir diese Aufmerksamkeit der Medien auch wegen Tondern. Das bedeutet für uns als Minderheit, dass wir sichtbar werden. Aber andererseits eben auch, dass deutlich wird, dass es legitim ist, auch die Partei der Minderheit zu wählen.

Viele Stimmen für die SP kommen aus der Mehrheitsbevölkerung ...

„... und es ist oft gesagt worden ,kann man einen Deutschen wählen' – doch das ist ja schon eine falsche Aussage. Die allermeisten unserer Kandidaten sind Nordschleswiger. Sie sind dänische Staatsbürger und gehören der Minderheit an und sind also keine Deutschen als solches. Uns ist es gelungen, die Stimmenzahl zu erhöhen und damit die Akzeptanz als Regionalpartei.“

Würdest du die Wahl als historisch bezeichnen, vielleicht auch unter dem Gesichtspunkt?

„Sie ist historisch unter dem Gesichtspunkt, dass wir als Minderheit jetzt einen Bürgermeister stellen. Es war ja schon historisch, als Stephan Kleinschmidt in Sonderburg den Kulturausschussposten bekam. Da wurden Stimmen laut, die fragten, ob ein Deutscher überhaupt die dänische Kultur vertreten könne. Wie sich gezeigt hat, ging das – und sogar mit Erfolg, wie Stephan bewiesen hat. Das war damals historisch und hat dazu geführt, dass die SP in Sonderburg bei der nächsten Wahl diesen immensen Erfolg hatte, und diesen Effekt erhoffen wir uns natürlich wieder.“

 

 

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