Leitartikel

„Mit keinem Wort“

Mit keinem Wort

Mit keinem Wort

Nordschleswig/Kopenhagen
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Warum ist das deutsch-dänische Grenzland nicht Teil des Wiedereröffnungs-Plans in Dänemark? Das fragt sich Chefredakteur Gwyn Nissen.

Es ist Licht am Ende des Corona-Tunnels: Montagabend präsentierte eine große Mehrheit im Folketing den Wiedereröffnungs-Plan Dänemarks. Ein ganz neues, altes Gefühl steht uns in wenigen Wochen bevor – wir gewinnen wieder ein Stück Freiheit zurück.

Restaurants und Cafés können bald wieder Gäste empfangen, Schüler kehren zu mehr Normalität zurück, die Haare werden bald wieder schön, der Sport lebt auf (allerdings nicht auf den Zuschauerrängen), und überhaupt kehren wir in Dänemark langsam zu einem Normalzustand zurück.

Oder besser gesagt, in Teilen des Landes.

Denn das deutsch-dänische Grenzland wurde mit keinem Wort im Wiedereröffnungs-Plan erwähnt. Das ist schlichtweg enttäuschend – nicht zuletzt, weil vorige Woche eine deutsch-dänische Freundschaftserklärung veröffentlicht wurde, in der das Grenzland und die Bedeutung der Minderheiten hervorgehoben wurden.

„Das vertrauensvolle und offene Zusammenleben in der Grenzregion ist ein Vorbild für Europa und für die Welt“, sagte der dänische Außenminister Jeppe Kofod (Soz.). Aber Fakt ist, dass es derzeit durch die Reisebeschränkungen kaum ein Zusammenleben in der Grenzregion gibt.

Bei der Wiedereröffnung setzt Dänemark vor allem auf den Corona-Pass – beziehungsweise auf negative Tests. Doch diese reichen seit Monaten nicht mehr, um über die Grenze zu kommen. Nur wer einen triftigen Grund hat, kommt nach Dänemark rein – und Dänen, die sich über die Grenze wagen, werden dazu aufgefordert, in Quarantäne zu gehen.

Natürlich ist weiterhin Vorsicht geboten. Deutschland steht vor einer möglichen dritten Welle – oder steckt womöglich schon drin – und Dänemark möchte möglichst das Coronavirus im Griff behalten. Wenn Dänemark aber im eigenen Land den Corona-Pass als Ticket für die neu gewonnene Freiheit ins Spiel bringt, dann bitte auch im deutsch-dänischen Grenzland.

Wir verlangen gar nicht, dass die Grenzen morgen aufgemacht werden. Aber dass das Grenzland – und wie es hier weitergeht – überhaupt nicht im Wiedereröffnungs-Plan erwähnt wird, ist eine Schande. Ein ganzer Landesteil wird ausgegrenzt oder vergessen. In aller Freundschaft: Beides ist schlimm.

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