Leitartikel

„Kleiner Nachbar findet neuen großen Freund“

Kleiner Nachbar findet neuen großen Freund

Kleiner Nachbar findet neuen großen Freund

Nordschleswig/Kopenhagen
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Ende der Sonntagsreden? Dänemark und Deutschland haben einen neuen Aktionsplan unterzeichnet. Chefredakteur Gwyn Nissen sieht im Plan eine Zukunft für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit.

Wer im deutsch-dänischen Grenzland über Jahrzehnte die Politik verfolgt hat, weiß nur allzu gut, dass es viele und lange Sonntagsreden über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit gab. Ebenso groß ist aber auch die Frustration darüber, dass das Grenzland sein Potenzial bisher nicht ausschöpfen konnte.

Manchmal war der Wille nicht da, den Worten Taten folgen zu lassen. Andere Male war es bequemer, auf der eigenen Seite des Grenzzauns zu bleiben, oder eine Zusammenarbeit war faktisch nicht möglich, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorhanden waren.

Oder wie es der Lundtofter Venstre-Politiker Hans Philip Tietje ausdrückte: Die Zahnräder im Grenzland passen nicht immer zusammen, wenn Bund, Land, Kreis und Gemeinde auf der einen und Kommune, Region und Nation auf der anderen Seite theoretisch gute Ideen in die Praxis umsetzen wollen.

Nationale Gesetze können eben nicht nur mit Blick auf eine Grenzregion geändert werden.

Oder vielleicht doch?

Der Hauptvorsitzende des Bundes Deutscher Nordschleswiger, Hinrich Jürgensen, fordert seit Längerem, dass neue Gesetzgebung in Berlin, Kiel und Kopenhagen einem grenzüberschreitenden Lackmustest unterzogen werden sollte, damit in Grenzregionen keine Schieflage oder Ungerechtigkeit entsteht.

Grenzschließungen während der Corona-Pandemie sind ein Beispiel, die Rechte von arbeitssuchenden Bürgerinnen und Bürgern, die auf der anderen Seite der Grenze keinen Familienbesuch machen dürfen, ein anderes.

Die Zeit der Sonntagsreden könnte aber vorbei sein, wenn man sich den neuen deutsch-dänischen Aktionsplan ansieht, den Außenministerin Annalena Baerbock und ihr dänischer Amtskollege Jeppe Kofod vor wenigen Tagen unterschrieben haben.

Er ist viel konkreter als so manche Aussagen nach deutsch-dänischen Ministertreffen: Das Zentrum für Minderheitenstudien in Flensburg, das ECMI, soll gestärkt werden, der deutschen Minderheit sollen mehr Rechte in Verbindung mit der Sprachencharta zukommen, gemeinsame Arbeitsgruppen sollen die Zusammenarbeit über die Grenze hinweg fördern, eine internationale Konferenz soll Beispiele für bewährte Verfahren im Grenzland hervorheben – und eine gemeinsame Arbeitsgruppe soll konkret Hindernisse für die grenzüberschreitende Mobilität beseitigen.

Der Ansatz ist für Minderheiten und Mehrheiten im Grenzland gut, aber nicht zuletzt unsere Journalistinnen und Journalisten haben sich in den vergangenen Jahrzehnten bei grenzüberschreitenden Konferenzen, Seminaren und Treffen viele Versprechen, Pläne und Absichten anhören müssen – und dennoch ist wenig passiert.

Deshalb warten wir auch diesmal gespannt auf die Ergebnisse und werden die Politikerinnen und Politiker daran erinnern, was sie verpflichtend unterzeichnet haben.

Wir würden uns freuen, viele positive deutsch-dänische Geschichten aus dem Grenzland zu erzählen, denn wir brauchen sie in der Region, wo die Grenze uns zunehmend trennt, statt uns zu vereinen.

Von deutscher Seite ist der neue Aktionsplan ein Zeichen dafür, dass Deutschland auch seinen kleinen Nachbarn ernst nimmt; von dänischer Seite ein Signal, dass man nach dem Brexit einen neuen großen Freund gefunden hat.

Gemeinsam können Deutschland und Dänemark nämlich so viel mehr als allein.

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