80. Geburtstag
Der Herr Kapellmeister, der keine Noten lesen kann
Der Herr Kapellmeister, der keine Noten lesen kann
Der Herr Kapellmeister, der keine Noten lesen kann
Niels Christian Abild feiert seinen 80. Geburtstag am Sonntag mit einem Jazzkonzert in der Sønderjyllandshalle.
Er hat in Shanghai gespielt, im Hamburger Star-Club, in Tokio, auf Kuba. Kurzum: Der Jazzmusiker Niels Abild ist in seiner langjährigen Karriere viel herumgekommen. Am 11. November vollendet er sein 80. Lebensjahr, und diesen wichtigen Meilenstein feiert der Klarinettist und Kapellmeister mit einem Jazzkonzert in seiner alten Heimat, nämlich in Apenrade, und zwar in der Sønderjyllandshalle, mit seiner eigenen Jazz-Combo, den Kansas City Stompers. „Es ist übrigens das älteste Jazzorchester Europas“, betont er.
Dort, wo die Sønderjyllandshalle heute steht, hatte sein Vater, ein Hals-Nasen-Ohrenarzt, Ländereien. „Genau dort war in meiner Kindheit eine Pferdekoppel“, erinnert sich Abild. – Der fast 80-Jährige kann viel erzählen und macht das auch gerne. Das vereinbarte Kurzinterview dauert ein gutes Stündchen. – Sein Vater war eine Berühmtheit. Schauspieler und Sänger aus aller Welt kamen nach Apenrade, um sich von Laurids Abild behandeln zu lassen. „Er hat im Ersten Weltkrieg in Verdun als Gesichtschirurg gearbeitet und vielen durch Kopfwunden verunstalteten Soldaten wieder ein Gesicht verliehen“, berichtet der Sohn voller Stolz. Später hat der Vater auch Schönheitsoperationen durchgeführt. Zu seinen Patientinnen gehörte u. a. Zsa Zsa Gabor.
Der Vater galt als Koryphäe
Der Vater galt als Koryphäe der plastischen Gesichtschirurgie und wurde weltweit zu Kongressen eingeladen. Von seinen USA-Reisen brachte er Schallplatten mit u. a. von Benny Goodman, dem berühmten Jazzklarinettisten und Bandleader. Niels Abild war damals noch ein kleiner Junge. Die Versuche von Fräulein Krause am Haderslebener Weg, ihm im Alter von sechs Jahren klassisches Klavierspiel beizubringen, scheiterten – aber nicht am Talent, sondern eher an Niels Abilds Lust an Fräulein Krauses Lehrmethoden. „Ich konnte zwar bei dem Abschlusskonzert im Grand Hotel das eingeübte Stück von Händel wunderbar spielen, aber ich hatte keine einzige Note gelernt. Ich hatte es einfach auswendig gelernt“, erzählt Abild. Als er jedoch als Zehnjähriger die amerikanischen Jazzplatten seines Vaters hörte, war ihm klar, dass er Jazzmusiker werden wollte. Er spielte die Musik zunächst auf seiner Blockflöte nach; mit elf Jahren kauften ihm die Eltern die erste Klarinette. Kurz darauf scharte er ein paar Jungen aus der Nachbarschaft um sich. Ihren ersten Auftritt hatten die vier Apenrader Jungen übrigens in Tondern, im damaligen Hotel Tondern. Niels Abild war damals 13. Ein Onkel eines Bandkollegen hatte Geburtstag. Der Auftritt kam super an. Die Kansas City Stompers waren geboren.
Niels Abild war Musiker, Bandleader und Bandpromoter in einer Person und verschaffte dem Orchester viele weitere Auftritte. Die Sonntagsjazz-Veranstaltungen im Apenrader Schützenhof waren legendär. Bei einem Auftritt in Flensburg lernte er einen jungen deutschen Jazzbassisten kennen, der später als James Last weltberühmt wurde.
Die Beatles auf der Luftmatratze
In seiner langjährigen Karriere hat er mit allen dänischen und vielen ausländischen Musikern gespielt. Besonders stolz ist er noch heute auf den Gig mit Louis Armstrong. Die Beatles schliefen, als sie noch Silver Beatles hießen, bei ihm zu Hause (damals lebte er in Schweden) auf Luftmatratzen auf dem Küchenboden. Er hatte die britische Band im Hamburger Star-Club kennengelernt. Abild war für den verletzten Organisten der Band The Sputniks eingesprungen. „Die Silver Beatles waren die Vorband“, erzählt Niels Abild, der damals als Konzertveranstalter und Tourmanager für Norwegen, Finnland und Schweden arbeitete und mit seiner Frau Kirsten in Göteborg lebte. Er vermittelte John Lennon und Co. Auftritte in Göteborg. Gelernt hat Niels Abild übrigens Maschinenarbeiter bei Callesens Maschinenfabrik in Apenrade.
Inzwischen wohnen die Eheleute auf Seeland; die Verbindung zu Apenrade und vielen Freunden und Wegbegleitern von damals ist geblieben. „Ich weiß auch, dass einige am Sonntag zum Konzert kommen werden. Ich freue mich darauf“, sagt Niels Abild.
Wer mitfeiern möchte und Lust auf echten Jazz und auf die „schönste Stimme der Welt“ hat, sollte am Sonntag spätens um 20 Uhr in die Sønderjyllandshalle kommen. Wer schon um 18.30 Uhr vor Ort ist, kann von einem Jazz-Eintopf mitessen. Obwohl Abild mit den berühmtesten Sängerinnen des Nordens zusammengearbeitet hat, so schwärmt er in höchsten Tönen von Rikke Mølgaard. „Sie ist so toll“, sagt er.
Die Abschlussfrage lautete übrigens: „Herr Abild, können Sie inzwischen Noten lesen?“ – „Nein, kein Stück“, war seine Antwort.