Tierwelt

Forscher: „Nordschleswig ist für Wölfe lediglich Zwischenstation“

Forscher: „Nordschleswig ist für Wölfe lediglich Zwischenstation“

„Nordschleswig ist für Wölfe lediglich Zwischenstation“

Apenrade/Aabenraa
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Dieser Wolf hat einen GPS-Sender um den Hals bekommen, so dass Peter Sunde und sein Forschungsteam das Tier nun minütlich nachverfolgen können. Foto: Aarhus Universitet og Naturhistorisk Museum Aarhus/Free

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Angst vor Raubtieren? Erstmals ist es gelungen, einen jungen Wolf in Dänemark mit einem GPS-Halsband auszustatten. Ein Forscherteam möchte so ein genaues Bewegungsprofil erstellen und hofft, dadurch die Furcht vor dem Raubtier zu verringern.

Als am vergangenen Dienstag kurz vor Mitternacht der Alarm bei Peter Sunde losging, war dies Anlass zu großer Freude. Peter Sunde ist Professor und forscht an Wölfen, und der Alarm signalisierte ihm, dass ein Tier in eine der Fallen gelaufen war, die er mit seinem Team aufgestellt hatte.

Bei der Falle handelt es sich um eine mit Gummi überzogene Fußschere, an der sich der Wolf nicht verletzen kann. Durch den Fang am vergangenen Dienstag bot sich erstmals die Möglichkeit, eines der Tiere mit einem GPS-Sender auszustatten.

Es dauerte keine halbe Stunde, bis Peter Sunde vom Institut für Ecoscience an der Universität Aarhus und sein Team vor Ort am Borris Skydeterræn zwischen Skjern und Brande in Westjütland waren und den Wolf betäuben konnten, um ihm anschließend ein Halsband mit dem GPS-Sender anzulegen. Dabei stellte sich heraus, dass es sich um ein männliches Tier handelt, das im Sommer als eines von acht Jungen geboren wurde.

Kurz vor Mitternacht am 6. Dezember betäuben Forscher unter anderem von der Universität Aarhus einen jungen männlichen Wolf im Borris Skydeterræn in Westjütland, um ihn mit einem GPS-Halsband auszustatten. Foto: Aarhus Universitet og Naturhistorisk Museum Aarhus/Free

Bewegungsmuster studieren

„Wir können jetzt herausfinden, wie sich Wölfe in Dänemark verhalten, wann sie aktiv sind und wo sie sich aufhalten und so feststellen, wie sie sich an die Landschaft Jütlands angepasst haben. Dadurch können wir dann auch sehen, ob ihr Verhalten anders ist als das ihrer Artgenossen in Deutschland. Und wir können das Bewegungsmuster der Tiere studieren“, sagt Peter Sunde im Interview mit dem „Nordschleswiger“.

Seit im Jahr 2012 die ersten Wölfe nach Dänemark zurückgekehrt sind, sorgen sich Menschen darum, einem der Tiere zu begegnen. Es gibt Menschen, die sich aufgrund der Wölfe unsicher fühlen. In den Gegenden, wo sich die Tiere etabliert haben, gebe es großen Klärungsbedarf, was ihr Verhalten betrifft, so der Professor. Insbesondere seien viele besorgt, dass sich die Wölfe zu dicht an bewohnte Gebiete oder einzelne Gebäude annähern.

Sunde: Sorge der Menschen nachvollziehbar

Die Sorgen vieler Menschen vor dem Wolf kann der Forscher durchaus nachvollziehen, vor allem wenn man ihnen unerwartet in der Natur begegnet und vor Augen hat, dass sie relativ große Beutetiere erlegen können. Doch die Fakten würden eine andere Sprache sprechen.

„Statistisch gesehen passiert es äußerst selten, dass ein Wolf einen Menschen angreift. Deswegen gibt es eigentlich keinen Grund, Angst vor dem Wolf zu haben. Es gibt 10.000 andere Dinge, vor denen man mehr Angst haben sollte. Aber wir Menschen sind nicht rational, und deshalb hoffe ich, dass die Erkenntnisse, die wir durch die Nachverfolgung der Wölfe bekommen, dazu beitragen, den Wolf als solchen zu entmystifizieren. Denn so können wir besorgten Bürgerinnen und Bürgern erklären, wie sich die Wölfe bewegen“, erläutert Peter Sunde.

Daten international vergleichen

Aus den skandinavischen Nachbarländern sei bereits bekannt, dass Wölfe insbesondere nachts, wenn sie sich sicherer fühlen, an Gebäuden vorbeiziehen, insbesondere in weniger stark bebauten Gebieten.
„Es wird interessant sein, herauszufinden, wie dicht sich die Wölfe in Gegenden, in denen eine größere Zahl an Menschen lebt, annähern. Diese Daten können wir dann mit denen aus anderen Teilen der Welt vergleichen“, so Peter Sunde.

Weitere Zunahme an Wölfen erwartet

Professor Peter Sunde schätzt den Wolfsbestand in Dänemark derzeit auf etwa 30 Tiere ein, davon sind 14 im Laufe des Jahres 2022 geboren worden.

Oftmals sind die Tiere, deren Wanderung in den vergangenen fünf Jahren bereits nachvollzogen werden konnte, in Brandenburg oder Sachsen geboren worden; einige stammen auch aus dem zentraleuropäischen Bestand in Polen.

Zwar hat der Wolfsbestand zunächst konstant zugenommen und ist in jüngerer Zeit wieder leicht abgeflacht, allerdings rechnet Peter Sunde in der Zukunft mit einem erneut wachsenden Bestand.

Aktuell gibt es drei Wolfspaare in Dänemark: ein Paar bei Borris (dort, wo es jetzt gelungen ist, das erste Tier mit einem GPS-Halsband zu versehen), eines bei Hovborg zwischen Grindsted und der E20 und ein drittes Paar in der Oksby Plantage bei Blåvand.

Nordschleswig nicht attraktiv genug

Dass sich die Wölfe in Dänemark vor allem im westlichen Teil Mitteljütlands aufhalten und in Nordschleswig nur selten zu Gast sind, liegt an den natürlichen Gegebenheiten. In Westjütland gibt es größere Heidelandschaften und die Bevölkerungsdichte ist niedriger als in Nordschleswig und Schleswig-Holstein, gibt Peter Sunde zu bedenken.

„Nordschleswig ist für Wölfe lediglich Zwischenstation. Die Tiere, die von Deutschland aus die Grenze nach Dänemark überqueren, bewegen sich zügig weiter. Normalerweise benötigt ein Wolf nur einige Wochen auf seiner Wanderung von Deutschland bis nach Mittel- und Westjütland. Die Tiere suchen nach ruhigen Gebieten, in denen so wenig Menschen wie möglich leben, die von Wald bedeckt sind und einen ausreichenden Bestand an Rehen und Hirschen vorweisen können. Nordschleswig hat dafür zu wenig Waldgebiete und ist zudem zu dicht besiedelt“, sagt Peter Sunde.

Aus diesem Grunde sei auch keine der Wölfe, die sich in Dänemark niedergelassen haben, wieder nach Deutschland zurückgekehrt.

Hoffnung auf weiteren Wolf

Und deshalb macht sich Peter Sunde auch Hoffnungen, in den kommenden Tagen noch einen weiteren Jungwolf mit einem GPS-Sender ausstatten zu können.

„Wir haben weiterhin Fallen aufgestellt. Es sind zehn Wölfe hier draußen. Wir versuchen, bis zum Wochenende einen seiner Geschwister einzufangen. Ansonsten machen wir zu Beginn des neuen Jahres weiter. Wenn wir zwei Wölfe in diesem Winter markieren können, sind wir zufrieden. Und vielleicht zwei weitere im kommenden Winter. Daten einzusammeln kostet Zeit“, resümiert Peter Sunde.

Die Grafik zur Anzahl von Zwischenfällen mit tödlichem Ausgang wurde am 15. Dezember 2022 um 12 Uhr korrigiert und präzisiert.

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Gerrit Hencke
Gerrit Hencke Journalist
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