Leitartikel

„Ahlers adieu“

Ahlers adieu

Ahlers adieu

Apenrade/Nordschleswig
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Der frühere Minister Tommy Ahlers verlässt das Folketing. Ein Verlust für Venstre, aber auch für die dänische Demokratie, meint Chefredakteur Gwyn Nissen.

Der ehemalige Regierungschef Lars Løkke Rasmussen hatte 2018 ein Ass im Ärmel, als er Tommy Ahlers als neuen Bildungs- und Forschungsminister präsentierte. Ahlers war sozusagen von der Straße geholt worden, hatte zuvor nie ein politisches Amt bestritten und legte nun einen politischen Senkrechtstart hin.

Das Rampenlicht war der gebürtige Nordschleswiger schon gewohnt, bevor er in die Politik ging. In der Wirtschaft war der ausgebildete Jurist vor allem in der Tele- und Social-Network-Branche bekannt und prägte dänische Start-up-Unternehmen.

Der heute 45-Jährige wurde landesweit bekannt, als er im TV-Programm „Løvens Hule“ („Höhle des Löwen“) Jung-Unternehmern Starthilfe leistete, und mit demselben Zugang ging er auch in die Politik: Tommy Ahlers wollte etwas bewegen.

Ahlers wollte mehr Firmengründer, ein flexibles Bildungssystem, und er setzte sich für ein besseres Klima ein. Die Politik sollte ihm die notwendige Plattform dafür geben, doch Ahlers Abschiedsspruch am Dienstag war ein deutliches Wort in Richtung Politik: Es gibt zu viele politische Spielereien und zu wenig Visionen, kritisierte der frühere Minister – daran hatte auch er nichts ändern können.

Sein Rücktritt aus dem dänischen Parlament ist ein herber Rückschlag für die krisengebeutelte Partei Venstre. Nach dem früheren Staatsminister Lars Løkke Rasmussen, der Ex-Ministerin Inger Støjberg sowie den früheren Ministern Kristian Jensen und Bertel Haarder sowie nun Tommy Ahlers verliert die Partei bereits ihren fünften Spitzenpolitiker seit der Folketingswahl im Sommer 2019. Eine Rückkehr an die Macht scheint ausgeschlossen.

Ahlers’ Abschied tut aber besonders weh – und nicht nur bei Venstre. Im Folketing gibt es viele Berufspolitiker, die länger in der Politik als im Berufsleben waren. Ahlers dagegen kam mit frischem Wind, viel Engagement und Energie aus der Wirtschaft. Dass er mit dem Kopf gegen die Wand gelaufen ist, ist ein Armutszeugnis für unsere Landespolitik.

Die Konsequenz ist noch schlimmer, denn nach Ahlers werden sich weitere Wirtschaftsvertreter zweimal überlegen, ob sie den Weg in die Politik suchen, um Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen.

Tommy Ahlers will jetzt mit Wirtschaftsunternehmern neue grüne Lösungen für ein besseres Klima entwickeln. Die Politik braucht er dafür nicht – das stimmt nachdenklich.

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