Leitartikel

„Überraschende Grenzerfahrung – aber Kontrollen sind Kontrollen“

Überraschende Grenzerfahrung – aber Kontrollen sind Kontrollen

Überraschende Grenzerfahrung – aber Kontrollen sind noch da

Krusau/Apenrade
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Die Lockerungen, die seit Freitag an der deutsch-dänischen Grenze spürbar sind, fallen deutlich größer aus als erwartet, freut sich Marle Liebelt. Sie mahnt jedoch, sich von der Freude nicht blenden zu lassen. Die Grenzkontrollen sind nicht abgeschafft, und es bleibt dabei: Sie behindern das Miteinander im Grenzland.

Freitagmorgen 20 vor 8 an der deutsch-dänischen Grenze – die Hauptverkehrszeit für Grenzpendelnde. Und es ist einiges los am Grenzübergang in Krusau (Kruså). Aber nicht auf, sondern an der Straße. Journalistinnen mit Notizblock interviewen Polizisten, und Videoteams aus Deutschland und Dänemark filmen den Verkehr, der wenig zu bieten hat. 

 

Personen, die das Miteinander loben und die Grenzkontrollen gleichzeitig befürworten, sind scheinheilig. Es steht ihnen nicht zu, stolz zu sein, oder sich gar damit zu schmücken.

Marle Liebelt

Im Grenzhäuschen ist das Licht aus, der Verkehr fließt, und alles wirkt etwas surreal. Die Polizei ist vor Ort, spielt an diesem Morgen aber nur vor den Kameras der Reporterteams eine Rolle. Kein Winken, kein Kontrollieren.

Das kam überraschend

Dass es Lockerungen geben würde, war angekündigt. Aber dass sie wirklich spürbar sein würden – damit haben viele in der „Nordschleswiger“-Redaktion nicht gerechnet.

Offensichtlich stehen wir mit der Verwunderung nicht allein da. Auch die Autofahrerinnen und Autofahrer schauen verdutzt ins dunkle Kontrollhäuschen und genießen nur zögerlich die freie Bahn.

Aber … 

Bei aller Freude über die größer ausfallenden Lockerungen an der Grenze darf nicht vergessen werden: Dänemark hat die Grenzkontrollen nicht abgeschafft.

Das Miteinander im deutsch-dänischen Grenzland ist nicht grenzenlos. Die Kontrollen waren und bleiben ein Hindernis für ein enges Miteinander.

Marle Liebelt

Die Absenkung der Geschwindigkeit vor den Grenzübergängen wird den Verkehr gerade zur Ferienzeit weiterhin ausbremsen, und die Situation an Dänemarks Grenzen entspricht nicht dem europäischen Gedanken und schon gar nicht dem des Schengen-Abkommens. 

Grenzen grenzen ab. Das Miteinander im deutsch-dänischen Grenzland ist nicht grenzenlos. Die Kontrollen waren und bleiben ein Hindernis für ein enges Miteinander. Jede Politikerin und jeder Politiker sollte das in den zahlreichen Reden über das besondere Verhältnis der deutsch-dänischen Grenzlandbevölkerung im Hinterkopf haben. Wer das gute Miteinander lobt, darf nicht vergessen, dass die Grenzkontrollen es erschweren.

Personen, die das Miteinander loben und die Grenzkontrollen gleichzeitig befürworten, sind scheinheilig. Es steht ihnen nicht zu, stolz zu sein, oder sich gar damit zu schmücken.  

Sieben Jahre, vier Monate und sieben Tage

Meine Kollegin Lene Neumann Jepsen hat mitgezählt: „Sieben Jahre, vier Monate und sieben Tage hat diese ‚notwendige‘ Maßnahme das Leben im Grenzland massivst erschwert.“

Die jetzigen Lockerungen geben Anlass zur Hoffnung und versprechen Erleichterung für die nächsten Monate. Aber die Grenzkontrollen sind nicht abgeschafft, sie gehören abgeschafft. Für die Menschen im Grenzland, für die Minderheiten, für Deutschland, für Dänemark und für Europa. 

„Der Nordschleswiger“ hat die Neuigkeiten zur Neugestaltung der Grenzkontrollen in mehreren Berichten unterschiedlich beleuchtet. Hier findest du alle Links zur aktuellen Berichterstattung dazu:

Polizei zieht Personal von ständig besetzten Grenzübergängen ab 

Verlängerungen der Grenzkontrollen: Was jetzt anders ist (kurzer Überblick)

Überraschende Grenzerfahrung – aber Kontrollen sind Kontrollen (Leitartikel)

Minderheit freut sich über Grenzlockerungen (Reaktionen aus der Minderheit)

Jan Riber Jakobsen: „In einem modernen Grenzland brauchen wir freie Passage“ (Reaktion des Apenrader Bürgermeisters) 

Popp Petersen: „Eine positive Überraschung“ (Reaktion des Tonderaner Bürgermeisters)

Polizei hat verschiedene Aspekte zu berücksichtigen (Reaktion des Sonderburger Bürgermeisters)

Verhaltenes Aufatmen im Grenzland und in Schleswig-Holstein: „Ein Etappensieg“ (Reaktionen von südlich der Grenze)

Grenzkontrollen: DF kritisch – Moderate zufrieden (Reaktion aus Dänemarks Politik)

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EU

EU überarbeitet Schengener Grenzkodex: Enttäuschung im Grenzland

Apenrade/Aabenraa Künftig soll bei der Einführung von Kontrollen an den Binnengrenzen unter anderem die Verhältnismäßigkeit geprüft werden, doch dafür dürfen Grenzkontrollen in Zukunft von den Staaten im Schengenraum noch länger aufrechterhalten werden. Die Parteisekretärin der Schleswigschen Partei, Ruth Candussi, und die Grenzlandpolitiker Rasmus Andresen und Stefan Seidler sind deshalb enttäuscht von dem Beschluss.