Grenzüberschreitendes

Deutsche Grenzkontrollen: Europa-Abgeordneter lehnt Verlängerung ab

Deutsche Grenzkontrollen: Europa-Abgeordneter lehnt Verlängerung ab

Deutsche Grenzkontrollen: EU-Politiker lehnt Verlängerung ab

Berlin
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Bundespolizei
Direkt an der Grenze in Ellund hat die Bundespolizei eine temporäre Kontrollstelle aufgebaut. Foto: Jacob Schultz/Jysk Fynske Medier/Ritzau Scanpix

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Die Bundespolizei zieht Halbzeitbilanz bezüglich der stationären Grenzkontrollen im Rahmen der Fußball-EM. Die FDP fordert bereits die Verlängerung der Maßnahmen an allen deutschen Grenzen um ein Jahr. Das kritisiert der Grünen-Europaabgeordnete Rasmus Andresen. Auch Polizeigewerkschaften zweifeln schon länger an der Effektivität.

Ginge es nach FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, so sollten die temporären Kontrollen der Bundespolizei auch nach der Europameisterschaft in Deutschland weitergehen. Das sagte der Politiker kürzlich der „Bild“-Zeitung.

„Stationäre Grenzkontrollen haben sich bewährt. Ihre Bilanz kann sich sehen lassen. Das ist ein echter Beitrag, um irreguläre Migration nach Deutschland zu begrenzen. Eine Verlängerung für ein Jahr nach der EM ist daher notwendig.“

Andresen: Grenzkontrollen behindern Zusammenleben im Grenzland

Gegenwind bekommt Djir-Sarai von dem Flensburger Europa-Abgeordneten Rasmus Andresen. Wer die Grenzkontrollen nach der Fußball-EM verlängern will, der schade Pendlerinnen und Pendlern sowie der Wirtschaft. „Die Einführung von Grenzkontrollen an den deutschen Außengrenzen während der Fußball-Europameisterschaft ist sicherheitspolitisch plausibel – die Forderung der FDP, die Kontrollen um zunächst ein Jahr zu verlängern, ist es nicht“, so der Grünen-Politiker. 

„In unserer deutsch-dänischen Grenzregion wissen wir zu gut, welche Auswirkungen die Kontrollen an unseren Grenzen haben. Seit mittlerweile acht Jahren verlängert Dänemark alle sechs Monate die sogenannten vorübergehenden Grenzkontrollen, und genauso lange setzen wir uns nun für eine Abschaffung dieser absurden Maßnahme ein.“

Die Einführung von Grenzkontrollen an den deutschen Außengrenzen während der Fußball-Europameisterschaft ist sicherheitspolitisch plausibel – die Forderung der FDP, die Kontrollen um zunächst ein Jahr zu verlängern, ist es nicht.

Rasmus Andresen

Andresen erneuert in seiner Pressemitteilung seine Forderung an Bundesregierung und EU-Kommission, dem „Unsinn“ ein Ende zu bereiten. „Die Grenzkontrollen sind in der Sache wirkungslos und schaden dem grenzüberschreitenden Zusammenleben.“

Lange Kritik an dänischen Grenzkontrollen

Die dänischen Grenzkontrollen sorgen bereits seit Langem für Kritik. Unter anderem forderte der Landtag in Schleswig-Holstein im Herbst 2022 bereits einstimmig ein Ende der Kontrollen. Ein Gutachten der Europa-Universität Flensburg mit Unterstützung Andresens kam im Februar 2023 zu dem Schluss, dass die Kontrollen „rechtswidrig“ sind. Schon zuvor hatte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) die Grenzkontrollen im Beisein ihres Kollegen Jeppe Kofod (Soz.) kritisiert und eine gemeinsame Lösung eingefordert. Und auch Akteneinsichten durch den „Nordschleswiger“ aus dem Jahr 2022 belegen, dass selbst die Behörden keine Dokumentationen zur Effizienz der stationären Kontrollen vorliegen haben.

Am 12. Mai 2023 wurden die physischen Kontrollen an der dänisch-deutschen Grenze erstmals gelockert. Seither sind die stichprobenartigen Kontrollen seltener. Die Grenzübergänge in Fröslee (Frøslev), Pattburg (Padborg) und Krusau (Kruså) sind nicht mehr ständig besetzt. Die Polizei kontrolliert seither verstärkt im Hinterland und nutzt dabei auch moderne Technik – etwa Drohnen und Kennzeichenscanner.

Das Schengen-Abkommen

Das Schengen-Abkommen sieht nur kurzzeitige Kontrollen an den Grenzen vor – etwa vor und während eines G7-Gipfels, einer Fußball-EM oder wegen akuter Gefahren für die innere Sicherheit eines Landes. Ansonsten gewährt das Abkommen allen Bürgerinnen und Bürgern der Schengen-Staaten, die Binnengrenzen ohne Personenkontrollen zu überschreiten.

Bundespolizei zieht Halbzeitbilanz

Dass die deutschen Grenzkontrollen nicht ganz wirkungslos sind, zeigt eine Halbzeitbilanz der Bundespolizei. Nach Angaben der für Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern zuständigen Bundespolizeidirektion Bad Bramstedt wurden vom 7. bis zum 28. Juni insgesamt 19.300 Menschen an der Grenze zu Dänemark an der E45 in Ellund kontrolliert. Dabei wurden zehn Haftbefehle vollstreckt, 56 unerlaubte Einreisen unterbunden und 45 Menschen zurückgewiesen. Die Beamtinnen und Beamten konnten zwei Schleusungen verhindern. Sechs geschleuste Personen wurden aufgehalten und zwei Schleuser festgestellt, so die Halbzeitbilanz. 

Insgesamt wurden an den deutschen Außengrenzen bisher 830.000 Kontrollen durchgeführt und 603 offene Haftbefehle vollstreckt. 150 Schleusende wurden festgenommen und 146 Menschen abgewiesen. 

Deutsche Kontrollen sorgen für Staus

Die Aktionen am Grenzübergang in Ellund, wo der Pkw-Verkehr über den dortigen Rastplatz umgeleitet wird, sorgen seit Beginn der Maßnahme immer wieder für massiven Rückstau nach Nordschleswig und einen großen Zeitverlust für Einheimische und Reisende.  

Neben den durchgehenden Kontrollen an den Hauptverkehrsadern sind die Kräfte der Bundespolizei im Grenzraum bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern aktiv und überwachen auch kleinere Verkehrswege mit grenzüberschreitendem Verkehr – etwa an der Grenze nach Krusau (Kruså).

Kritik an stationären Grenzkontrollen 

Offen ist, wie effektiv stationäre Grenzkontrollen tatsächlich sind. Migrationsforschende glauben nicht daran, dass stationäre Grenzkontrollen illegale Einwanderung tatsächlich eindämmen. Wenn es Flüchtlinge bis in die EU geschafft hätten, würden sie bleiben, sagt etwa Gerald Knaus gegenüber der „tagesschau“. Sie würden dann immer wieder probieren, in ihr Wunschland zu gelangen. Kein Staat habe so viel Polizei, die so flächendeckend kontrollieren und das verhindern könnte. Viele würden sich dann noch eher Schleusenden anvertrauen, so der Experte. 

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Brandenburg äußerte bereits im September 2023 Zweifel an der Wirksamkeit stationärer Kontrollen im Vergleich zu mobilen Kontrollen. Nach Ansicht der GdP haben die stationären Kontrollen an der polnischen Grenze nicht den gewünschten Effekt, die irreguläre Migration zu reduzieren. Besser seien flexible Kontrollen an wechselnden Schwerpunkten. 

Ähnlich formulierte es auch der Vorsitzende der dänischen Polizeigewerkschaft, Heino Kegel, im November 2022. „Es werden unglaublich viele Ressourcen verbraucht, die eine sehr geringe Wirkung haben“, sagte er gegenüber „Berlingske“. Er sprach von Symbolpolitik. „Die, die böse Absichten haben, fahren ja nicht über die drei Grenzübergänge, an denen dauerhaft kontrolliert wird – das versteht sich von selbst. Die finden einen anderen Ort, an dem sie die Grenze überqueren können, und wenn sie dann in Dänemark sind, kommt die Hinterlandkontrolle der Polizei zum Einsatz, um diese Verbrecherinnen und Verbrecher zu stellen“, sagte Heino Kegel.

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