Leitartikel

„Wenn Mette und Hinrich den Olaf anrufen“

Wenn Mette und Hinrich den Olaf anrufen

Wenn Mette und Hinrich den Olaf anrufen

Nordschleswig/Kopenhagen/Berlin
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Jeder Wechsel einer Bundesregierung ist in der deutschen Minderheit in Nordschleswig mit Unsicherheit verbunden. Vor allem, wenn sich die Minderheit im Koalitionspapier der neuen Regierung nicht wiederfindet, schreibt Chefredakteur Gwyn Nissen.

Die neue Bundesregierung steht und auch die Politik – zumindest in groben Zügen. Auf 178 Seiten zeichnet die Ampelkoalition, bestehend aus SPD, FDP und Grünen, einen neuen Weg für Deutschland auf – und damit auch für Europa.

Deutschland ist politisch und wirtschaftlich ein Zug, auf den auch Dänemark aufspringen wird. Nach dem Brexit orientiert sich Dänemark neu und sucht eine noch engere Beziehung zum großen Nachbarn. Wie eng, wird sich in den kommenden Monaten zeigen, wenn zwischen deutschen und dänischen Ministern erste Gespräche und Besuche stattfinden. Die europäische Hierarchie und der Fokus auf bestimmte Themen zeichnen sich dann nämlich ab.

Bestimmt wird Mette schon bald Olaf anrufen, Jeppe Annalena und Dan den Robert – und vielleicht kommt es auch zu den erhofften Treffen in Kopenhagen oder Berlin.

Staatsministerin Mette Frederiksen wird den Kontakt zu Bundeskanzler Olaf Scholz suchen, denn Dänemark braucht nach dem Ausscheiden Großbritanniens einen starken Partner an der Seite. Der Blick gen Süden zum Nachbarn ist daher logisch. Auch die Außenminister Jeppe Kofod und Annalena Baerbock von den Grünen sowie Klimaminister Dan Jørgensen und sein Kollege Robert Habeck werden sich schnell finden.

Dänemark braucht Deutschland, aber Deutschland braucht eben auch die Unterstützung Dänemarks und anderer Nachbarländer.

Das deutsch-dänische Grenzland und die dortigen Minderheiten erhoffen sich erhöhte Aufmerksamkeit durch die Wahl von SSW-Mann Stefan Seidler in den Bundestag und des dänisch sprechenden Robert Habeck in die Regierung. Das ist wohl möglich und bleibt zu hoffen, aber auf den 178 Seiten der neuen Bundesregierung kommen die Minderheiten kaum vor.

Auf Seite 116 sind die Dänen, Friesen, Sinti und Roma sowie die Sorben erwähnt und auf Seite 123 die Minority-Safepack-Initiative zum Schutz der Minderheiten in Europa – aber kein Wort über die mehr als ein Dutzend deutsche Minderheiten in Europa oder über die Rolle eines Minderheitenbeauftragten.

Das kann alles noch kommen, zumal es in Verbindung mit der MSPI heißt: Die Initiative Minority Safepack unterstützen wir proaktiv und setzen sie in Deutschland um. Projekte für den Erhalt und die Entfaltung der Minderheiten, ihrer Sprachen und Kultur bauen wir aus.

Genau wie Dänemark in gewisser Weise von Deutschland abhängig ist, hängt bei einer Finanzierung von rund 82 Millionen Kronen jährlich aus Berlin auch das Leben (und Überleben) der deutschen Minderheit in Nordschleswig vom Wohlwollen einer Bundesregierung ab.

Daher ist der kritische Blick der Minderheit ins Regierungspapier auch verständlich, weil jeder politische Wechsel mit einer gewissen Unsicherheit verbunden ist. Vielleicht ruft Hinrich* ja auch bald den Olaf an – nur um sicherzugehen.

(*Hinrich Jürgensen, Hauptvorsitzender des Bundes Deutscher Nordschleswiger, Dachorganisation der deutschen Minderheit in Dänemark)

 

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