Königshaus

Die „böse“ deutsche Prinzessin Helena

Die „böse“ deutsche Prinzessin Helena

Die „böse“ deutsche Prinzessin Helena

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Kopenhagen/Berlin
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König Christian X. (rechts) präsentiert seine später so ungeliebte Schwägerin, Prinzessin Helene. Foto: Holger Damgaard/Ritzau Scanpix

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Umstrittenes Buch: Der Autor Peter Kramer stellt kritische Fragen zur Verbindung des dänischen Königshauses zu Nazi-Deutschland. Der frühere Chefredakteur Siegfried Matlok gibt einen historischen Überblick – Teil 2.

Hinter den dicken Mauern des dänischen Königshauses spielte sich nach der deutschen Besatzung am 9. April 1940 ein persönlich-politisches Drama ab, das erst 1945 der breiten Öffentlichkeit teilweise bekanntwurde und das Peter Kramer in seinem Buch „Ridser i lakken“ nun ausführlich beleuchtet hat. 

Zahlreiche deutsche Verwandte des dänischen Königshauses – sowohl aus dem Hause Glücksburg als auch aus dem Hause Mecklenburg-Schwerin, also dem Stammhaus von Königin Alexandrine – zeigten von 1933 bis 1944 offen Sympathien für Hitler und den Nationalsozialismus. 

Dies war natürlich nach dem 9. April 1940 höchst unangenehm für den dänischen König Christian X. und besonders peinlich für Königin Alexandrine. Schmerzhaft war für sie die „Hauptrolle“ von Prinzessin Helena von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, die 1909 den jüngsten Bruder von König Christian, Prinz Harald, geheiratet hatte – als Halb-Cousine. 

Nach dem Einmarsch deutscher Truppen warb sie – vergeblich – um die Aufnahme von Nationalsozialisten in die dänische Regierung. 

Der Prinz musste draußen warten 

Der aus Apenrade stammende Gustav Meissner, ab April 1940 Leiter der Presseabteilung der Gesandtschaft in Kopenhagen, hat in einem späteren Interview den Stellenwert der Prinzessin mit einem Besuch des Prinzenpaares beim deutschen Gesandten Renthe-Fink 1940 beschrieben.  

Während der Gesandte unter vier Augen mit Prinzessin Helena sprach, musste Meissner sich vor der Tür mit Prinz Harald unterhalten. 

Sie hatte unter anderem dänische Frontfreiwillige im „Frikorps Danmark“, die für Hitler-Deutschland an der Ostfront kämpften, in Kopenhagen bei einer Rückkehr mit Blumen begrüßt, und als der Chef des bei den Dänen so verhassten Freikorpses, SS-Sturmbann-Führer Christian Frederik von Schalburg, der im Juni 1942 in Russland gefallen war, in Kopenhagen beigesetzt wurde, nahm Prinzessin Helena an der Trauerfeier teil.

Der seit Oktober 1942 in Dänemark tätige Reichsbevollmächtigte Werner Best schreibt in seinem Tagebuchkalender am 19. 9. 1943 (Sonntag): „Nachm. Prinzessin Helene bei uns.“

War es nur Helenas Doppel-Identität?

In einem Beitrag über das Haus Glücksburg verweist der Geschichtsprofessor Gerd Steinwascher von der Universität Oldenburg darauf, dass Helenas Hochzeit mit Prinz Harald „die einzige deutsch-dänische Ehe des Hauses Glücksburg überhaupt war“. 

Nach seiner Ansicht „scheiterte die Prinzessin prompt an der Doppel-Identität“, indem sie ihr Deutschtum auch dann noch betonte und pflegte, als die Wehrmacht von 1940 bis 1945 Dänemark besetzte.  Während der gesamten Besatzungszeit habe sie Wehrmachtsoffiziere und Gestapo-Granden in ihrer Villa empfangen, so Steinwascher.  

Das erboste nicht nur die dänische Bevölkerung, sondern auch Helenas Schwager, König Christian X., der die Nazis stets auf Abstand hielt. 

Diese Distanz im eigenen engsten Familienkreise galt insbesondere Königin Alexandrine, die – so die Meinung dänischer Historiker – den moralischen Widerstand gegen die Besatzung im Königshauses leitete. Über sie soll der 1944 von den Deutschen ermordete Schriftsteller, Pastor Kaj Munk, einmal gesagt haben: „Gott beschütze die Königin, die einzige deutsche Person, die wir gerne behalten wollen.“ 

„Weekendavisen“ nennt Prinzessin Helena eine „königliche Landesverräterin“ und berichtet von Königin Margrethe, dass ihre Eltern – also Frederik IX. und Ingrid – seit Margrethes Taufe nie mehr Prinzessin Helena getroffen haben.

Verhaftung am Königshof

Dänische Historiker kommen zu dem Ergebnis, Helena sei zwar keine deutsche Agentin gewesen, sie soll aber wichtige Informationen über König und Königshaus an die deutsche Besatzungsmacht weitergeleitet haben, wie aus Briefen hervorgeht, die ein dänischer Postbeamter angeblich zurückgehalten hatte. 

Laut der „Nordschleswigschen Zeitung“ vom 16. August 1945 meldete Ritzaus Bureau eine „Verhaftung am Königshof“. Es wurde zugleich dementiert, dass es sich dabei um den Kammerdiener des Königs handelte. Vielmehr sei ein untergeordneter Angestellter am Hofe verhaftet worden. Unter dem Verdacht, den Deutschen Aufschlüsse über das Königshaus gegeben zu haben. Über sein Schicksal ist später nichts mehr bekannt geworden. 

Am Tag der Befreiung, dem 5. Mai 1945, begann die Rechtsabrechnung durch die Politiker, die sich die Hände in Unschuld gewaschen haben, was 1953 mit dem Abschlussbericht der Parlamentarischen Kommission dadurch bestätigt wurde, dass gegen keinen einzigen Politiker eine Anklage wegen Verfehlungen während der Besatzungszeit vor dem Reichsgericht erhoben wurde. 

Regierungschef Erik Eriksen, Staatsminister von 1950 bis 1953, nannte die dänische Politik das Ergebnis von „Dobbelthed“, sowohl Zusammenarbeitspolitik als auch Widerstandspolitik zur gleichen Zeit. 

Ausweisung durch den König via Züchtigungsgesetz

König Christian X. sorgte rasch selbst für eine sogenannte Säuberung im königlichen Stall. Da Mitglieder der Königsfamilie nicht der allgemeinen (Straf-)Gesetzgebung unterlagen, griff der König zu einer Notlösung, die ihm das dänische Königsgesetz per „Züchtigungsrecht“ zubilligt. Am 31. Mai 1945 meldete die „Nordschleswigsche Zeitung“, die auch noch nach dem 5. Mai bis zum Brandanschlag im September 1945 erscheinen konnte: „Prinzessin Helena muss Dänemark verlassen.“   

Unter Hinweis auf „Ekstra Bladet“ hieß es laut „NZ“: „Ihre deutschfreundliche Gesinnung war in den vielen Jahren bekannt, aber während des letzten Krieges nahm der Ausdruck dessen Formen an, die es notwendig machten, nun hinterher auch sie die Reinigung treffen zu lassen, die im Lande vorgenommen ist.“ 

Die Abreise sei um 13 Uhr von Kastrup in einem Flugzeug der dänischen Luftfahrtgesellschaft erfolgt, ihr einziger Begleiter war Leutnant Kjølby, der als Kontrolleur mitreiste. Als Bestimmungsort wurde „ein Flugplatz in dem von Russen besetzten Teil Norddeutschlands angegeben.“ 

Helena landet bei Familie auf Schloss Glücksburg

Das war aber nicht ganz richtig: nachdem die Prinzessin – Verbannung „mit der vollen Billigung“ des Königs –  in ihrem Heim, Svanemøllevej 25, in einem Militärfahrzeug abgeholt worden war, wurde sie von einer dänischen Militärmaschine nach Schleswig geflogen und dann ins Elternhaus nach Schloss Glücksburg gebracht, wo sie unter Hausarrest stehend von ihrem Bruder versorgt wurde — und wo zur gleichen Zeit auch mehrere Nazi-Größen vor ihrer Verhaftung durch die Briten in Flensburg Unterschlupf gefunden hatten.  

„Begnadigung“ nach schwerer Erkrankung von Prinz Harald 

Doch schon ein Jahr später – so ein Bericht in „Jydske Tidende“ vom 22. April 1946 – wurde die Prinzessin „begnadigt“. Als Prinz Harald plötzlich eine schwere Lungenentzündung erlitt, teilte das dänische Außenministerium – natürlich nicht ohne Absprache mit dem Königshaus  – der britischen Besatzungsmacht in Flensburg mit, sie möge Prinzessin Helena von Glücksburg zur dänischen Grenze bringen, sodass sie dann von der dänischen Polizei nach Kopenhagen gefahren werden konnte. 

Gleichzeitig wurden Apenrader Polizeibeamte nach Hannover geschickt, um dort die Tochter von Prinz Harald und Prinzessin Helena, die Prinzessin Feodora, abzuholen und ans Krankenbett des Vaters nach Kopenhagen zu bringen. 

Die Ausweisung von Prinzessin Helena, in Dänemark stets unter polizeilicher Bewachung, wurde 1947 aufgehoben, und so durfte sie ihren kranken Mann bis zu seinem Tode am 30. März 1949 im Bispebjerg -Hospital pflegen. 

Keine Teilnahme an der Hochzeit ihres Sohnes 

Ein Jahr zuvor, Anfang 1948, war der Prinzessin untersagt worden, an der Hochzeit ihres Sohnes Prinz Oluf in der Kirche zu Gentofte teilzunehmen. Da zunächst gemeldet wurde, dass Olufs Mutter auch kommen würde, ließ Prinz Harald via Ritzau König Frederik mitteilen, dass Helena doch nicht zur Hochzeit des eigenen Sohnes erscheinen wird. 

Nach dem Tode von Prinz Harald lebte Prinzessin Helena – nun als „persona non grata“ – noch 13 Jahre zurückgezogen in ihrem Heim am Svanemøllevej.  Sie starb am 30. Juni 1962 in Hellerup und wurde im Dom zu Roskilde in der Glücksburgschen Kapelle neben ihrem Mann, Prinz Harald, beigesetzt. 

Eine rückwirkende Geste des Königshauses, wenn man ihre Vergangenheit bedenkt.

Das Buch von Peter Kramer hat Aufsehen erregt. Foto: Peter Kramer
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