Königshaus

Nachkriegsgeschichte: Scotland Yard im Schloss Glücksburg

Nachkriegsgeschichte: Scotland Yard im Schloss Glücksburg

Nachkriegsgeschichte: Scotland Yard im Schloss Glücksburg

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Kopenhagen/Glücksburg
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Das Schloss Glücksburg war nach dem Zweiten Weltkrieg Schauplatz eines echten Krimis. Foto: Lindegaard Bente/Ritzau Scanpix

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Umstrittenes Buch: Der Autor Peter Kramer stellt kritische Fragen zur Verbindung des dänischen Königshauses zu Nazi-Deutschland. Der frühere Chefredakteur Siegfried Matlok gibt einen historischen Überblick – Teil 3.

In seinem Buch „Ridser i lakken“ hat der Journalist Peter Kramer ausführlich die großen internen Schwierigkeiten beleuchtet, die das dänische Königshaus während der Kriegsjahre durch die Glücksburger Prinzessin Helena sowie durch Vertreter des Hauses Mecklenburg-Schwerin erlebte. 

Als einer der letzten deutschen Monarchen – vier Tage nach der Flucht Kaiser Wilhelms II. –   verzichtete der Erbgroßherzog Franz Friedrich IV. mit einer Abdankungsurkunde am 14. November 1918 für sich und sein Haus künftig auf den Thron und emigrierte vorübergehend zur Familie nach Dänemark. Damit endete die Monarchie auch in Mecklenburg.

Königin Margrethe über den Adjutanten aus Mecklenburg

Für das dänische Königshaus war es eine schwere familiäre Belastung, dass ausgerechnet der Sohn des Erbherzogs, also ein Neffe von Königin Alexandrine, der Herzog Franz Friedrich, während der Besatzungszeit als persönlicher Referent für die deutschen Gesandten in Kopenhagen, Renthe-Fink und Dr. Werner Best, auftrat. Bereits 1931 trat er in die NSDAP ein, und schon vor 1933 erhielt er die SS-Mitgliedsnummer 8.366

Seine Tante Alexandrine zeigte ihm am Hofe unmissverständlich die kalte Schulter.  

Königin Margrethe II. hat später erzählt, dass der in Nazi-Uniform auftretende Franz Friedrich bei der Familie in Ungnade gefallen war, während das Königshaus dessen Bruder, der in Zivil erschien, als Gast willkommen hieß.

Der eigene Bruder der Königin, Erbherzog Franz-Friedrich IV., besuchte im August 1944 den Reichsbevollmächtigten in Kopenhagen, traf dabei auch mit dem dänischen Minister Gunnar Larsen zusammen, und noch am 30. Dezember 1944 besuchte Dr. Best in Ludwigslust Friedrich Franz IV. 

Königin Alexandrine beim Bruder im Flensburger Franziskus 

Ein halbes Jahr später: Vor der anrückenden Roten Armee flüchtete der Erbherzog mit Ausnahme seines Sohnes Christian Ludwig in den Schlusstagen des Zweiten Weltkrieges zur Familie nach Glücksburg.  

Eine geplante Ausreise nach Dänemark zu seiner älteren Schwester, Königin Alexandrine, kam aber nicht zustande. Der Erbherzog erkrankte schwer – auch mangels medizinischer Versorgung im Schloss. 

Er wurde ins Flensburger Franziskus-Hospital gebracht und am Darm operiert, doch sein Gesundheitszustand verschlechterte sich so sehr, dass seine Schwester, Königin Alexandrine, von Amalienborg nach Gravenstein eilte, um über die nach dem 5. Mai 1945 hermetisch abgesperrte deutsch-dänische Grenze zu fahren und ihren sterbenskranken Bruder zu besuchen. 

Am Tag danach kam sie erneut nach Flensburg und blieb an der Seite ihres Bruders bis zu seinem Tode – am 17. November. Danach nahm sie Abschied von ihrem Bruder – in einer kleinen Gedenkstunde mit einigen Familienangehörigen in der Kapelle von St. Franziskus. 

Der Tote wurde anschließend nach Glücksburg gebracht und in der Kapelle in einem Sarg aufgebahrt, der – wie „Jydske Tidende“ zu berichten wusste – „aus Dänemark“ zur Verfügung gestellt worden war. An der Beisetzung nahm die Königin jedoch nicht mehr teil; sie kehrte nach Kopenhagen zurück. Nur wenige wussten über ihre Anwesenheit Bescheid, meldete „Flensborg Avis“ am 19. November 1945.

Montgomery half Mecklenburgern 

Noch vor seiner tödlichen Erkrankung hatte der Erbgroßherzog im Glücksburger Schloss aber Spuren hinterlassen. Seit dem 15. Mai war der Erbherzog mit Familie im Schloss untergebracht. Auf persönlichen Befehl von Feldmarschall Montgomery hatten britische Kraftwagen die Familie nach Glücksburg in Sicherheit gebracht, sodass sie – mit früheren Geschenken – auch wertvolle Familienstücke aus ehemals königlich-englischen-hannoverschen und kaiserlich-russischen Besitz mitnehmen konnten. 

Am 23. Mai 1945 gab es eine Hausdurchsuchung durch die Briten im Schloss, wo ein Teil der Mitarbeiter des ehemaligen Reichsministeriums für Rüstung sowie Nazi-Größe Albert Speer zwangseinquartiert waren. Die britische Fahndung galt SS-Chef Heinrich Himmler – vergeblich. Dennoch: Die Hausdurchsuchung blieb nicht ohne Folgen. 

Hausdurchsuchung mit Folgen

Prinz Friedrich Ferdinand zu Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, der am 1. September 1941 Anastasia zu Mecklenburg-Schwerin geheiratet hatte, hat der Presse 1950 die Vorgänge vom 23. Mai 1945 wie folgt geschildert: Die Hausdurchsuchung erfolgte durch Soldaten des „Chesire“-Regiments. Allen im Schloss befindlichen Personen wurde befohlen, ihre Zimmer zu verlassen, ihr Hab und Gut jedoch liegen zu lassen. Der Großherzog und seine Gattin wurden mit vorgehaltener Pistole gezwungen, sofort ihre Zimmer zu verlassen. 

Anwesend auch Prinz Christian zu Schaumburg-Lippe mit seiner Frau, Prinzessin Feodora von Dänemark, im Schloss Glücksburg. Feodora war eine Tochter von Prinz Harald und Prinzessin Helena. Nur die erkrankte Prinzessin Caroline Reuss durfte im Hause bleiben. 

Auf dem Schlosshof beobachten die Bewohner, wie Dinge nicht militärischer Art herausgetragen wurden, unter anderem auch ein Koffer des Prinzen Schaumburg-Lippe. Seine Forderung, den Koffer zurückzugeben, lehnten die Briten strikt ab.  

Major Craig: Kein Eingriff

Nach einiger Zeit wurde dem Erbgroßherzog von einem britischen Offizier gestattet, wieder in sein Zimmer zu gehen, doch bei seiner Rückkehr fand er das gesamte Zimmer durchwühlt und ertappte sogar einen britischen Soldaten, der Schmuckkästen aufzubrechen suchte. 

Ein herbeigeeilter britischer Soldat unternahm nichts. Die Soldaten standen während der Hausdurchsuchung unter dem Befehl des britischen Majors Gordon Craig, der die geforderte Rückgabe ablehnte. Einige Soldaten bekamen jedoch kalte Füße und warfen den von ihnen geraubten Schmuck von sich, sodass die Schlossbewohner wenigstens einige ihrer Wertgegenstände verstreut wiederfanden. 

Nach Abzug des Untersuchungskommandos wurden die Vorkommnisse der Königlichen Britischen 159. Infanterie-Brigade gemeldet, doch außer einer goldenen Uhr und einem Radiogerät blieb der Rest verschwunden. 

Die Liste der gestohlenen Wertgegenstände  

Es fehlten 59 kostbare Schmuckstücke, die – nach Goldmarkwert – auf 25.000 englische Pfund beziffert wurden. 

Prinz Friedrich Ferdinand von Schleswig-Holstein wurde von der Witwe des Ende 1945 verstorbenen Erbgroßherzogs, von der Herzogin Alexandra von Hannover und Cumberland, als Testamentsvollstrecker beauftragt, die Interessen des großherzoglichen mecklenburgischen Hauses wahrzunehmen. 

Er wandte sich unter anderem an die 11. Panzerdivision in Luisenlund, persönlich an Montgomery und an die britische Controllkomission in Lübbecke, die ihm „ihr Bedauern“ zum Ausdruck brachte und unter anderem Folgendes antwortete: 

Obwohl die Tatsachen nicht bestritten werden können, werden Euer Hoheit einsehen, dass weder die militärische Behörde noch die Regierung S. Majestät finanzielle Verbindlichkeiten hinsichtlich schuldhafter Handlungen von Angehörigen der bewaffneten Streitkräfte übernehmen können, die in Kriegszeiten in Deutschland begangen wurden.“

Wein in den Särgen

Der Prinz berichtete darüber hinaus, dass britische Einheiten, die als Bewachung dienten, in die unter dem Schloss liegende Gruft eingedrungen seien und die dortigen Särge aufgebrochen hatten. Die Särge waren zum Teil umgekippt und die Leichen hinausgeworfen, später fand man nach seinen Angaben sogar Weinflaschen in den leeren Särgen. 

Mit dem Bescheid aus Lübbecke waren der Prinz und die Betroffenen jedoch alles andere als zufrieden. Im Frühjahr 1946 wandte er sich an den Erzbischof von Canterbury. Es kam zu einer Anfrage im britischen Unterhaus. 

Dänisches Königshaus kontaktiert den englischen König 

Außerdem setzte sich der Prinz zu diesem Zeitpunkt mit seinen königlichen Verwandten, mit der Königin von Dänemark, in Verbindung und bat sie um Unterstützung. Am 15. April 1946 wurde der Vorgang auf diplomatischem Wege von Kopenhagen, also vom dänischen Königshaus, an den König von England weitergeleitet. 

Am 22. April 1947 schrieben die „Daily Mail“ und der „Daily Telegraph“ in großen Sensationsberichten über den Fall Glücksburg. Die dänische Presse berichtete am 20. Mai 1948 aus London unter der Überschrift „Juvel-Tyveriet på Lyksborg Slot“, dass Scotland Yard zurzeit in Lancashire Ermittlungen durchführe – angeblich bereits seit zwei Jahren. 

Scotland Yard im Glücksburger Schloss 

Im Glücksburger Schloss tauchte nun sogar Inspektor Bliss von Scotland Yard höchstpersönlich auf, doch das einzige Ergebnis: ein Brillantring. 

Im Juni 1949 wurde die Erbherzogin von der britischen Besatzungsmacht in das „Sommerset-House“ nach Kiel geladen, wo ihr in England beschlagnahmte Schmuckgegenstände gezeigt wurden – vier davon konnte sie als eigenen Besitz identifizieren. 

Am 31. Juli 1949 folgte aus London die Nachricht, dass Scotland Yard einen großen Teil der Juwelen gefunden und auch mehrere Verhaftungen durchgeführt habe. Ob später Anklage wegen Diebstahls erhoben wurde, blieb unklar. Kriegshandlungen oder Raub? Für den Prinzen handelte es sich schlichtweg um Plünderungen. 

Auch über den letzten Akt im Fall Glücksburg könnte das dänische Königshaus Auskunft geben, falls die Archive des damaligen Königspaares freigegeben werden, wie es inzwischen nicht nur Peter Kramer fordert. 

Hochachtung für Alexandrine 

Nachdem König Christian X. am 20. April 1947 im Alter von 76 Jahren – als Nationalheld von 1920 und 1945 – gestorben war, verstarb Königin Alexandrine am 28. Dezember 1952 im Alter von 73 Jahren. 

„Der Nordschleswiger“ schrieb in seinem Nachruf: „Als Königin von Dänemark wurde sie zum Mittelpunkt der Königlichen Familie. 35 Jahre lang war sie an der Seite ihres Gemahls Christian X. Königin von Dänemark. Sie erwarb sich die Hochachtung und die Liebe des ganzen dänischen Volkes. Schon als junge deutsche Prinzessin bemühte sie sich, die dänische Sprache zu erlernen. Ihr ganzes Leben hindurch war sie bestrebt, eine gute dänische Königin zu sein.“  

 

 

Das Buch von Peter Kramer hat Aufsehen erregt. Foto: Peter Kramer
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